Capra, Fritjof

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Capra, Fritjof, Physiker und Philosoph, durch seine Bücher (Der kosmische Reigen; Das Tao der Physik; Wendezeit u.a.) Vordenker der New-Age-Bewegung. Insbesondere "Wendezeit. Bausteine für ein neues Weltbild" (1982) wurde zum Brückenkopf von früher nebeneinander her existierenden Friedens-, Einheits- und Feminismus bewegungen, zum Kristallisationskern von >Grünen, >Antiautoritären, >Jungianern, Revolutionären, >Bhagwan-Jüngern und >Anthroposophen.

Was ist das Geheimnis seines "neuen Weltbildes"? Es ist die allseitige Vernetzung, das Ganzheitsdenken. Es ist die Entdeckung, dass keiner isoliert existiert, dass alles miteinander in Verbindung steht, alle Lebensprozesse, zum Beispiel in ökologischen Kreisläufen. Capra schreibt:

"Leben und Geist sind Manifestationen derselben Gruppierung von Systemeigenschaften, von Prozessen, in denen die Dynamik der Selbstorganisation zum Ausdruck kommt. Dieser neue Geistesbegriff wird von unerhörtem Wert bei unserem Versuch sein, die kartesianische Trennung zu überwinden. Die Beschreibung von Geist als Organisationsmuster oder Gruppierung dynamischer Beziehungen erinnert an die Beschreibung der Materie in der modernen Physik. Geist und Materie erscheinen nicht länger als zwei getrennte Kategorien, wie Descartes es glaubte, sondern man kann sie als unterschiedliche Aspekte desselben universalen Geschehens betrachten" (Wendezeit, 322). Und weiter: "In der geschichteten Ordnung der Natur ist der jeweilige individuelle menschliche Geist in den umfassenderen Geist gesellschaftlicher und ökologischer Prozesse eingebettet; dieser wiederum ist in das planetare geistige System integriert – in den Geist von Gaia – , das seinerseits an irgendeiner Art von universalem oder kosmischem Geist teilhaben muss. Das Gedankengebäude des neuen Systemansatzes wird in keiner Weise eingeengt, wenn man diesen kosmischen Geist mit der traditionellen Vorstellung von Gott assoziiert. Jantsch sagt: ´Gott ist nicht der Schöpfer, sondern der Geist des Universums.` Aus dieser Sicht ist die Gottheit natürlich weder männlich noch weiblich, noch in irgendeiner persönlichen Form manifestiert, sondern stellt nichts weniger als die Selbstorganisations-Dynamik des gesamten Kosmos dar" (ebd., 324).

Beurteilung:

In Capras Sichtweise steckt insofern etwas Richtiges, als allzu lange die Ökologie vernachlässigt wurde, weil man lebendige Prozesse verneinte und in der Philosophie Subjekt und Objekt (etwa von Descartes her) auseinander riss. Diese Denkweise sollten wir in der Tat überwinden. Aber die Grenze wird bei Capra und ähnlichen Denkern eindeutig da überschritten, wo er eine neue Spiritualität, eine Vernetzung auch auf geistigem Gebiet fordert – eine Vernetzung, die alle Religionen, Philosophien und Ideologien relativiert (>Relativismus). Capras integrativer Ansatz bringt nämlich die Religionen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und versucht dadurch, sie in einer übergeordneten Synthese zu vereinigen und aufzuheben (vgl. den Ansatz des theosophischen Systems). Wichtig ist für ihn der Taoismus mit seiner Polarität von >Yin und Yang, die in einer höheren Synthese aufzuheben ist, aber nicht das Christentum. Eine absolute Offenbarung eines absoluten Gottes und Schöpfers gibt es für ihn nicht. Gott ist für ihn zwar Geist, aber der Geist des Kosmos (immanent-innerweltlich) und nicht der Schöpfer des Kosmos, der auch unabhängig und außerhalb des Universums existiert (transzendent-überweltlich). Dieser Geist wird – wie jede Erkenntnis – nach Capras Ansicht mystisch-intuitiv wahrgenommen und nicht durch dogmatische Lehrsätze und Offenbarungswahrheiten, wie sie in der Bibel verankert sind. Capras System lässt sich somit kennzeichnen als spiritualistisch verbrämter Materialismus >pantheistischer Art, d.h. als Denken, das zwar von "Gott" und "Geist" spricht, aber in Wirklichkeit nur das innerweltliche geschaffene Sein und nicht den über seinen Geschöpfen stehenden Schöpfer meint und erreicht.

Dies wird vollends deutlich beim Reden Capras und anderer NA-Vertreter von "Gaia" (griech. Erde, Land).

"Der Planet wimmelt nicht nur von Leben, sondern scheint selbst ein lebendes Wesen aus eigener Kraft zu sein ... Die Erde ist also ein lebendes System; sie funktioniert nicht etwa wie ein Organismus, sondern scheint wirklich ein Organismus zu sein – Gaia, ein lebendes, planetarisches Wesen", meint Capra (ebd., 315f.).

Die Bibel sagt hingegen an zahlreichen Stellen, dass die Erde nicht für sich selbst besteht oder sich selbst reguliert, sondern dass sie zusammen mit dem gesamten Kosmos aus der Schöpferhand Gottes hervorgegangen ist und von ihm gehalten wird. Die Lehre von Gaia ist ein Rückfall in heidnische Naturreligiosität, die in scharfen Gegensatz zum biblisch-christlichen Glauben tritt. Über alle Menschen und Religionen, die dem Geschöpf statt dem Schöpfer dienen und es verehren, spricht Gott sein Gericht aus:

"Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden und haben verwandelt sie Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in ein Bild gleich dem eines vergänglichen Menschen und der Vögel und der vierfüßigen und der kriechenden Tiere. Darum hat sie auch Gott dahingegeben in ihrer Herzen Gelüste, in Unreinigkeit, zu schänden ihre eigenen Leiber an sich selbst, sie, die Gottes Wahrheit verwandelt haben in Lüge und haben geehrt und gedient dem Geschöpf statt dem Schöpfer, der da gelobt ist in Ewigkeit. Amen" (Röm 1,22-25).

Mag die Relativitätstheorie für den Bereich des Geschöpflichen zutreffen – am Schöpfer findet sie ihre Grenze: Gott ist der Unerforschliche und Bleibende, und sein Wort ist die absolut gültige Autorität. Gleichermaßen antichristlich und gefährlich ist die Erwartung des Heils aus der Verbindung von Mensch und Natur, aus der Verbindung mit Muttergottheiten und mit der Naturgöttin Gaia (Erde). Solche im Feminismus und in Naturreligionen vorhandenen Vorstellungen sind mit dem Evangelium unvereinbar.

Lit.: F. Capra, Wendezeit, 1982. – Kritisch: L. Gassmann, Wendezeit 2000?, 1999.

Lothar Gassmann

Gaia (griech. Erde, Land) s. >Capra; >Ökologische Religion.


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Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handbüchern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines Ökumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

Weitere Handbücher (über Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de