Gemeinde

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1. Die Gemeinde ist Gottes Werk:

Die Gemeinde ist Gottes Ackerfeld und Bau. Menschen, in denen der Heilige Geist wohnt, sind gewürdigt, bei diesem Bau mitzuwirken. Aber ohne Gottes Gnade können sie nichts tun (vgl. Joh 15,5). Wo dies nicht beachtet wird, wo Gemeinde nur als menschliche Organisation angesehen wird, entsteht ein Widerspruch zu dieser fundamentalen Aussage über die christliche Gemeinde: dass sie – trotz aller menschlichen Mitwirkung – einzig und allein Gottes Werk ist (vgl. 1. Kor 3,5-10). Wo dies übersehen wird, bleibt aller menschlicher Aktivismus Leerlauf und führt in die Irre. Demgegenüber ist es wichtig, Gott um seine Wegweisung für den Gemeindebau zu fragen: im Gebet, durch Studium in seinem Wort und mit der Bereitschaft, falsche Vorstellungen über "Kirche" oder "Gemeinde" korrigieren zu lassen.

2. Die christliche Gemeinde ist die Gemeinde Jesu Christi. Er ist das Fundament seiner Gemeinde:

In Mt 16,18 spricht Jesus Christus zum Apostel Petrus:

"Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen."

Diese Stelle wird gern zur Begründung des Papstprimats (Vorherrschaft des Papstes) herangezogen. Dabei sollte allerdings nicht übersehen werden, dass es hier um den Christusprimat (Herrschaft Christi) geht: Christus will seine Gemeinde bauen. Die Gemeinde ist die Gemeinde Jesu Christi. Sie gehört ihm und niemandem sonst. Alle Funktionen, die Menschen in dieser Gemeinde wahrnehmen, sind nur ableitbar aus der Vollmacht und Beauftragung durch Jesus Christus. Dies wird auch deutlich aus dem Wort des Apostels Paulus:

"Einen anderen Grund (themelios) kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus" (1 .Kor 3,11).

Jesus Christus selber ist das Fundament seiner Gemeinde. Die Gemeinde wird mit einem Haus verglichen, das auf dem Fundament Jesus Christus errichtet wird. Ein anderes Fundament ist nicht tragfähig.

3. Zur Gemeinde gehört, wer zu Jesus Christus umgekehrt und durch den Heiligen Geist wiedergeboren ist zum neuen Leben in Gott:

Aus dem Neuen Testament geht deutlich hervor, dass zur Gemeinde im eigentlichen Sinn nur solche Menschen gezählt wurden, die zu Jesus Christus gehörten. Der Apostel Paulus etwa hat seine Gemeindebriefe wie folgt adressiert:

"an alle Geliebten Gottes (agapetois theou) und berufenen Heiligen (kletois hagiois) zu Rom" (Römer 1,7);

"der Gemeinde Gottes zu Korinth, den Geheiligten in Christus Jesus, den berufenen Heiligen samt allen denen, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen an jedem Ort" (1. Kor 1,2);

"den Heiligen und Gläubigen (hagiois kai pistois) an Christus Jesus" (Eph 1,1);

"allen Heiligen in Christus Jesus zu Philippi" (Phil 1,1);

"den Heiligen zu Kolossä und den gläubigen Brüdern (pistois adelphois) in Christus" (Kol 1,2);

"der Gemeinde in Thessalonich in Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus" (1. Thess 1,1).

"Heilig" (hebr. kadosch; griech. hagios) im biblischen Sinne bedeutet: "zu Gott gehörig", "für Gott ausgesondert".

Heilig wird man durch das Sühneopfer Jesu Christi am Kreuz und die Annahme dieses Opfers im Glauben (pistis). Wer das Sühneopfer Jesu Christi im Glauben annimmt und sich ganz auf die Seite seines Erlösers rufen lässt, vollzieht einen Herrschaftswechsel. Er tritt aus dem Reich Satans, der Sünde und des Todes heraus und wird eingegliedert in das Reich Jesu Christi, der Gerechtigkeit und des ewigen Lebens. Diesen Herrschaftswechsel bezeichnet die Bibel mit "Umkehr" (hebr. schub, griech. metanoia). Als die Volksmenge beim Pfingstereignis die Apostel nach der geisterfüllten Predigt des Petrus fragte:

"Was sollen wir tun?",

da antwortete ihnen Petrus:

"Tut Buße (metanoesate)! Und ein jeglicher lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen ... Lasset euch erretten aus diesem verkehrten Geschlecht!" (Apg 2,38.40).

Durch die Abkehr vom alten Leben, die Umkehr zu Jesus Christus und die Taufe auf seinen Namen werden Menschen der Gemeinde eingegliedert. Wer zu Jesus gehört, hat seinen Geist empfangen. Und dieser Geist hat ihn wiedergeboren zu einem neuen Leben:

"Es sei denn, dass jemand von neuen geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen" (Joh 3,3). "Als ihr gläubig wurdet, seid ihr versiegelt worden mit dem Heiligen Geist" (Eph 1,13).

"Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder" (Römer 8,14).

4. Ungläubige haben Zugang zur Gemeinde, gehören aber nicht im eigentlichen Sinn zu ihr:

Schon in neutestamentlicher Zeit stellt die Gemeinde ein corpus permixtum (vermischter Leib) dar. Die reine Gemeinde hat es nie gegeben. 1. Joh spricht von Menschen, die "von uns ausgegangen sind, aber nicht von uns waren". Sie werden als "Widerchristen" bzw. "Antichristen" bezeichnet (1. Joh 2,18f.). In 1. Kor 14,24 ist von "Ungläubigen oder Unkundigen" die Rede, die in die Versammlungen hineinkommen konnten und die ekstatischen Phänomene (Zungenrede) in Korinth nicht verstanden.

Die neutestamentliche Gemeinde ist somit nicht streng in sich geschlossen.

Das wäre auch gar nicht möglich, denn

"der Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an" (1. Sam 16,7).

Trotzdem sind die Gemeindeglieder zumindest formell daran erkennbar, dass sie sich zu Jesus Christus als ihrem Herrn bekennen und sich auf seinen Namen haben taufen lassen. Taufe und Glaube gehören zusammen. Der Glaube wird im Bekenntnis verbürgt.

"Wenn man von Herzen glaubt, dann wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, dann wird man gerettet" (Röm 10,10).

5. Die Glieder der Gemeinde sind der Leib Christi. Sie sind mit unterschiedlichen Geistesgaben beschenkt.

Christus ist das Haupt der Gemeinde. Die Gemeinde ist Christi Leib. So heisst es in Eph 4,15:

"Lasset uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus, von welchem aus der ganze Leib zusammengefügt ist und ein Glied am anderen hängt durch alle Gelenke, dadurch ein jegliches Glied dem anderen kräftig Handreichung tut nach seinem Maße und macht, dass der Leib wächst und sich selbst auferbaut in der Liebe."

Von diesem Bild her ergibt sich das Wesen der Gemeinde als ein Organismus, in dem alle Glieder zusammenwirken zum gemeinsamen Nutzen und im Gehorsam gegenüber dem Haupt. Das Band, welches sie zusammenhält und anspornt, ist die Liebe. Wie im körperlichen Leib soll es auch in der Gemeinde sein. Jedes Glied ist anders und hat unterschiedliche Gaben. Und doch sollen alle diese Gaben und ihre Träger zusammenwirken in der Unterordnung unter Christus, das Haupt, und zum gemeinsamen Wohl und Nutzen der Gemeinde.

"Es sind mancherlei Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind mancherlei Dienste; aber es ist ein Herr. Und es sind mancherlei Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirket alles in allen. In einem jeglichen offenbaren sich die Gaben des Geistes zu gemeinsamem Nutzen" (1. Kor 12,4-7).

Die UrGemeinde war eine charismatische Gemeinde im besten Sinn. Jeder hatte die Möglichkeit, seine Gaben konstruktiv und kooperativ einzubringen. Wie 1. Kor 14 deutlich macht, war der Gottesdienst keine "Ein-Mann-Veranstaltung", sondern geschah unter der Beteiligung vieler:

"Wenn ihr zusammenkommt, dann hat ein jeglicher einen Psalm, er hat eine Lehre, er hat Offenbarung, er hat Zungenrede, er hat Auslegung. Lasset es alles geschehen zur Erbauung!" (V. 26).

Zugleich wurden Leitlinien für einen geordneten Ablauf gegeben (V. 27-32), denn es gilt:

"Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens" (V. 33).

6. Wo krasse Irrlehre oder ethisches Fehlverhalten ohne Aussicht auf Umkehr auftritt, wird Gemeindezucht geübt:

Die neutestamentliche Gemeinde war zwar keine "reine Gemeinde" aus lauter Heiligen, aber sie war doch an dem Ideal orientiert, nur Gläubige als ihre eigentlichen Glieder anzusehen. Ungläubige und Unkundige hatten zwar Zutritt zu ihr, aber es sollte ihnen nicht erlaubt sein, sie mit ihrem "Sauerteig zu durchsäuern" – und das heisst: evangeliumswidrige Lehr- und Lebensauffassungen in die Gemeinde hineinzutragen. Das würde das Wesen der Gemeinde pervertieren. Deshalb warnt der Apostel Paulus im klassischen Kapitel über Gemeindezucht 1. Kor 5:

"Wisst ihr nicht, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert? Darum schafft den alten Sauerteig weg, damit ihr ein neuer Teig seid, wie ihr ja ungesäuert seid" (1. Kor 5,6f.).

Dieses Hinaustun des alten Sauerteigs – und das heisst: eines dem alten Äon der Sünde und des Todes verhafteten Lebens und Lehrens – bezieht sich nicht auf die Welt allgemein ("sonst müsstet ihr ja die Welt räumen"; V. 10), sondern auf Menschen, die in der Gemeinde leben und andere mit ihrem falschen Reden und Tun anstecken würden. Deshalb mahnt Paulus:

"Ihr sollt nicht mit einem zu schaffen haben, der sich Bruder nennen lässt und ist ein Unzüchtiger oder ein Geiziger oder ein Götzendiener oder ein Lästerer oder ein Trunkenbold oder ein Räuber; mit so einem sollt ihr auch nicht essen" (1. Kor 5,11).

Bei all diesen Sünden gibt es die Möglichkeit zur Umkehr und zum Neuanfang im Glauben und christlichen Leben. Das Hinaustun aus der Gemeinde sollte daher nicht zu schnell erfolgen, sondern erst nach gründlichen Gesprächen mit dem Betroffenen. In Mt 18,15-17 ist die Vorgehensweise im Fall von offensichtlicher Schuld in drei Stufen beschrieben:

"Sündigt dein Bruder an dir, so geh hin und weise ihn zurecht zwischen dir und ihm allein. Hört er auf dich, dann hast du deinen Bruder gewonnen. Hört er nicht auf dich, so nimm noch einen oder zwei zu dir, damit jede Sache durch den Mund von zwei oder drei Zeugen bestätigt werde. Hört er auf die nicht, dann sage es der Gemeinde. Hört er auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide und Zöllner."

Man beachte, dass unmittelbar vor dieser Gemeinderegel im Mt-Evangelium das Gleichnis vom verlorenen Schaf erzählt wird. Es schließt mit dem Satz:

"So ist es auch nicht der Wille bei eurem Vater im Himmel, dass auch nur eines von diesen Kleinen verloren werde" (Mt 18,14).

Das Ziel auch der Gemeindezucht ist daher (neben dem Schutz der Gemeinde vor Verführung und vor der Verlästerung ihres Zeugnisses) die Zurechtbringung und Rettung des Ermahnten oder Ausgeschlossenen. Deutlich kommt dies auch in 1. Kor 5 zum Ausdruck:

"Wenn ihr in dem Namen des Herrn Jesus versammelt seid und mein Geist samt der Kraft unseres Herrn Jesus bei auch ist, soll dieser Mensch dem Satan übergeben werden zum Verderben des Fleisches, damit der Geist gerettet werde am Tage des Herrn" (1. Kor 5,5).

Gemeindezucht ist somit letztlich ein eminent seelsorgerliches Anliegen. Sie ist nicht als Strafe zu verstehen, sondern als drastische Hilfe zur Sinnesänderung und zum Neuanfang mit dem Herrn. Bei der "Übergabe an Satan", beim Hinaustun in den Machtbereich der Welt, soll das "Fleisch" (sarx), d.h. das alte, sündige Wesen sterben – aber nicht der Leib ("soma" steht nicht hier!) in der Art mittelalterlicher Inquisitionen und Ketzerverbrennungen. Gemeindezucht soll und kann nicht bei jeder Sünde geübt werden. Dann wären die Gemeinden schnell ausgestorben. Nein, sie wird gefordert und als notwendig befunden bei besonders schweren Fällen von Irrlehre und falschem Leben, und zwar dann, wenn der Betreffende beständig in seiner Fehlhaltung beharrt und sie in die Gemeinde hineinträgt. Heute wird Gemeindezucht in vielen Kirchen wenn überhaupt, dann nur in besonders krassen Fällen geübt. Zwischen Wahrheit und Lüge wird häufig eine breite Grauzone toleriert, die sich zum Schaden der Kirchen und Gemeinden auswirkt und zu verminderter geistlicher Kraft und Vollmacht beiträgt.

7. Die Gemeinde und ihr Gottesdienst werden konstituiert durch Lehre, Gemeinschaft, Brotbrechen und Gebet:

In Apg 2,42 sind die unverzichtbaren Grundelemente des Gemeinde- und gottesdienstlichen Lebens genannt:

"Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel (didache ton apostolon) und in der Gemeinschaft (koinonia) und im Brotbrechen (klasis tou artou) und im Gebet (proseuche)."

Die Lehre der Apostel ist die Botschaft vom Heil durch Jesus Christus, von Jesus als dem Heiland. Ohne sie gibt es keine Gemeinde, die sich christlich nennen kann. Würde diese Lehre fehlen, dann wäre die Gemeinde eine Vereinigung wie jede andere, aber nicht die (aus der Welt) "Herausgerufene" (ekklesia), die der Welt etwas zu bringen hat, was diese sich selber nicht geben kann: Rettung von den Sünden und ewiges Leben. Gemeinschaft ist ein ebenso unverzichtbares Element der christlichen Gemeinde. Denn die Gemeinde ist ein Organismus aus mehreren Gliedern mit Christus als Haupt. In diesem Organismus soll ein Glied dem anderen dienen (1. Kor 12). Ein freiwillig gewähltes "Einzelchristsein" kann zwar auch noch in der Gemeinschaft mit Christus als dem Haupt stehen, aber ohne die anderen Glieder wird es sehr schnell zum Torso und stirbt ab. Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf hat daher den Satz geprägt:

"Ich statuiere kein Christentum ohne Gemeinschaft."

Das Brotbrechen gehört zur Gemeinde als sinnenfälliges Zeichen, als Erinnerung daran und Vergegenwärtigung dessen, was Jesus Christus am Kreuz für uns getan hat: Dort ließ er sich zur Sühne für unsere Schuld "zerbrechen" und töten. Dies ist das Zentrum des Heilsgeschehens und die Grundlage der Gemeinde als Christi Leib. Das Brotbrechen wird auch als "Herrenmahl" oder – in Anknüpfung an das letzte Passah Jesu Christi mit seinen Jüngern am Gründonnerstagabend – als "Abendmahl" bezeichnet. Das Gebet ist der Lebensfaden der Gemeinde, an dem alles hängt: das Lob und die Verherrlichung Gottes, der Dank, die Bitte und Fürbitte. Ohne Gebet bewegt sich nichts im Reich Gottes und in der christlichen Gemeinde. Das Gebet definiert die Gemeinde als völlig von Gott abhängigen Organismus. Christliches Gebet erfolgt "in Jesu Namen" und richtet sich an Gott den Vater oder an Jesus, Gottes Sohn. Jesus Christus spricht: "Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, damit der Vater verherrlicht werde im Sohn. Was ihr mich bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun" (Joh 14,13f.).

8. Die neutestamentliche Gemeinde ist geistlich eine Einheit:

Die Christenheit vermittelt heute ein sehr uneinheitliches Bild. Der Leib Christi erscheint arg zerrissen. Kirchen, Freikirchen und Sekten erheben oft gegeneinander den Anspruch, die wahre Gemeinde zu repräsentieren oder zumindest dem neutestamentlichen Ideal am nächsten zu kommen. Dabei ist diese Zerrissenheit bereits in urchristlicher Zeit angelegt. Man denke nur an die unterschiedlichen Auffassungen der Apostel etwa in Fragen der Heidenmission, der Mahlgemeinschaft zwischen Juden- und Heidenchristen (vgl. Gal 2), an gesetzliche (Gal 4,8ff.) oder libertinistische (1. Kor) Tendenzen in den frühchristlichen Gemeinden und ähnliches. Auch bildeten sich in den ersten Gemeinden bereits Parteien heraus, welche die Zugehörigkeit zu verschiedenen Gründern – und sicherlich auch deren theologischer Position – beanspruchten, ein bekanntes Phänomen in der späteren Kirchen- und Konfessionsgeschichte. So muss Paulus an die Korinther schreiben:

"Es ist mir bekannt geworden über euch, liebe Brüder, durch die Leute der Chloe, dass Streit unter euch ist. Ich meine aber dies, dass unter euch der eine sagt: Ich gehöre zu Paulus, der andere: Ich zu Apollos, der dritte: Ich zu Kephas, der vierte: Ich zu Christus."

In dieser Situation mahnt Paulus seine Adressaten inständig zur Einheit:

"Ich ermahne euch aber, liebe Brüder, im Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr alle mit einer Stimme redet und lasst keine Spaltungen (griech. Schismata) unter euch sein, sondern haltet einander fest in einem Sinn und in einer Meinung."

Als Begründung für die Forderung der Einheit stellt der Apostel die Fragen:

"Ist Christus etwa zerteilt? Ist Paulus denn für euch gekreuzigt? Oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft?" (1. Kor 1,10ff.).

Die Grundlage der Einheit ist also die Zugehörigkeit zu Christus als dem Haupt des einen Leibes, seiner Gemeinde, die er durch seinen Tod am Kreuz erworben hat und deren Glieder auf seinen Namen getauft sind. Geradezu programmatisch wird diese Einheit im Eph verkündigt:

"Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen" (Eph 4,4-6).

Diese Einheit wird hier insbesondere definiert als Einheit zwischen Juden und Heiden, die zu einem Leib zusammenwachsen durch das Kreuzesopfer Jesu Christi:

"Er ist unser Friede, der aus beiden eines gemacht und den Zaun abgebrochen hat, der dazwischen war, nämlich die Feindschaft" (Eph 2,14).

Entscheidend für die Bewahrung der Einheit ist die Orientierung auf Jesus Christus als das Haupt der Gemeinde, als den gekreuzigten, auferstandenen und wiederkommenden Sohn Gottes. Wo diese Orientierung da ist, ist die innere, geistliche Einheit vorhanden (selbst dort, wo sich Gemeinden durch ihre äußere Form und Organisation teilweise unterscheiden). Wo diese Orientierung fehlt oder wo sie durch andere Lehren verdeckt wird (z.B. durch das Aufstellen bestimmter Satzungen, Gebote und Tage als "heilsnotwendige" Verhaltensweisen ; vgl. Gal 4,8ff.), da ist die Einheit verloren oder zumindest gefährdet. Freilich lehrt das Neue Testament keine Einheit um jeden Preis, keine Einheit auf Kosten der christlichen Wahrheit. An Irrlehren oder Verhaltensweisen, welche die Gemeindezucht erfordern, findet die Einheit der Gemeinde ihre notwendige Grenze. Auch unterscheidet das Neue Testament sehr deutlich zwischen wahrer und falscher Einheit.

Wahre Einheit ist christozentrisch: Sie umfasst nur diejenigen, die an Jesus Christus glauben und zu ihm gehören, die sein Wort als "die Wahrheit" behalten, die in der Welt, aber nicht von der Welt sind und die daher von der Welt gehasst werden (Joh 17). –

Falsche Einheit hingegen möchte fremde Glieder zu dem Leib Christi hinzufügen, sie möchte Licht und Finsternis vermischen. Dabei aber mündet sie ins Antichristliche: Sie umfasst die ganze Menschheit, "hurt" mit allen Ideologien und Religionen und verfolgt diejenigen mit Zwang, Terror und schließlich Gewalt, die Jesus Christus als einzigem Herrn, Erlöser und Friedensbringer die Treue halten (Apk 13 und 17f.). Diese Weltanpassung war bereits in der Zeit der ersten Christen ein Problem, etwa als die Verfolgungen zunahmen und sich viele dem Kaiserkult unterwarfen. Sie wird der biblischen Prophetie zufolge in der Zeit vor Jesu Wiederkunft ein noch größeres Problem werden.

9. Die Gemeinde findet ihr Ziel im Bau des Reiches Gottes und in der Verherrlichung seiner Majestät:

Das letzte Ziel der Gemeinde liegt im Daheimsein beim Vater, im Eingehen in die Gottesherrschaft, in der Verherrlichung seines Namens. Gemeinde soll sich als das erweisen, was sie nach Gottes Plan ist: eine Schar von Menschen, die Gott treu bleiben und ihm die Ehre geben in Zeit und Ewigkeit. Wenn dies erreicht ist, dann ist aus der angefochtenen und kämpfenden Gemeinde unserer Zeit (ecclesia temptata et militans) die triumphierende und jubilierende Gemeinde der Ewigkeit (ecclesia triumphans et jubilans) geworden (vgl. Offb 7,9f.14ff.). Doch noch leben wir in der Zeit der kämpfenden Gemeinde. Sie ist aufgerufen, das Reich Gottes zu bauen, indem sie Menschen aus allen Sprachen und Nationen zu Jesus Christus als ihrem Herrn und Erlöser ruft (Mt 28,19f.). Erst wenn die Vollzahl der Erwählten aus Juden und Heiden gesammelt ist, wird der Herr in Macht und Herrlichkeit erscheinen und seine Gemeinde in sein himmlisches Reich holen:

"Es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen" (Mt 24,14.30 f.).

S. auch: Ekklesiologie.

Lit.: L. Gassmann, Kirche in der Diskussion. Papstkirche, Staatskirche oder Gemeinschaft der Glaubenden?, 2004.

Lothar Gassmann


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Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handbüchern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines Ökumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

Weitere Handbücher (über Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de