Hölle

Klick auf den Kompass öffnet den Index

Betrachten wir den deutschen Begriff "H." etwas näher, so sehen wir, dass er ungenau ist. Mit dem deutschen Wort "H." wurden – etwa in Martin Luthers Bibelübersetzung – ganz unterschiedliche hebräische und griechische Begriffe zusammengefasst. So ist von den biblischen Sprachen her zu unterscheiden (wenn auch nicht immer mit letzter Klarheit zu scheiden) zwischen:

Im "Theologischen Begriffslexikon zum Neuen Testament" werden Hades und Gehenna so definiert: "Für das NT ist die ... gehenna eine präexistente Grösse (Mt 25,41), ein feuriger Abgrund (Mt 13,42.50). Sie ist der Ort der endzeitlichen Strafe nach dem jüngsten Gericht, die ewig dauert (Mt 25,41.46; 23,15.33). Es werden Leib und Seele in ihr gerichtet (Mk 9,43.45.47 f; Mt 10,28). Sie ist also zu unterscheiden vom Hades, der in der Zeit vor der Auferstehung die Seelen der Verstorbenen beherbergt" (TBLNT I/1977, S. 713).

Wie sind die biblischen Passagen zu interpretieren, in denen die Begriffe "Scheol", "Hades", "Gehenna" und "Feuersee" vorkommen? Sind es Symbolbegriffe und symbolische Geschichten (dies behaupten außer Sekten wie z.B. den Zeugen Jehovas auch andere Anhänger der >GL oder "Annihilation" und des "Konditionalismus") – oder handeln sie von einer Wirklichkeit jetzt und in zukünftiger Zeit? Ist die Gehenna ein Ort des "Heulens und Zähnklapperns", wie es Jesus mehrmals formuliert?

Zunächst ist festzustellen, dass die Begriffe "scheol" und "hades" nicht das Grab, sondern die Unterwelt als Aufenthaltsort der Toten, das Totenreich bezeichnen (vgl. verschiedene theologische Lexika: THAT II/1984, Sp. 837 ff.; Bauer 1971, Sp. 32 f.; EWNT I/1980, Sp. 72 f.; ThWAT VII/1993, Sp. 901 ff.). Der gewöhnliche Begriff für "Grab" hingegen ist im Hebräischen "qeber", im Griechischen "taphos" oder "mnemeion". Die Scheol unterscheidet sich u.a. dadurch vom Grab, dass sie sich in sehr grosser "Tiefe" befindet (5. Mose 32,22; Hiob 11,8; 26,5; Jes 14,15), durch "Tore" verschlossen ist (Ps 9,14; Jes 38,10; vgl. Mt 16,18) und dass man in sie "hinabsteigen" oder "hinabfahren" kann (1. Mose 37,35; 4. Mose 16,23; Hiob 7,9; Ps 9,18), während man in das Grab hineingelegt wird. In der Scheol herrscht zwar Weltvergessenheit (Hiob 14,21; Pred 9,5 ff.), aber nicht Bewusstlosigkeit, sondern Wahrnehmungsfähigkeit und Aktivität. Entsprechende Bibelstellen (z.B. Jes 14,9-17; Hes 31 f.; Hiob 14,18-22; 26,5; vgl. Lk 16,19-31) mögen zwar bildhafte Elemente im Blick auf Detailschilderungen enthalten, aber die Berichte als Ganze weisen doch deutlich auf eine Existenz nach dem Tode hin. Gegenüber alttestamentlicher Zeit hat der Begriff "scheol/hades" im Neuen Testament eine Sinnerweiterung erfahren: "... über die alte Verwendung als Bezeichnung der gesamten Totenwelt hinaus kann das Wort den zwischenzeitlichen Aufenthaltsort entweder aller Toten oder der Seelen der Gottlosen meinen" (THAT II/1984, Sp. 841).

Im Unterschied hierzu bezeichnet "gehenna" den endgültigen Bestimmungsort der Verdammten, die ewige Feuer-H. Die damit verbundene Realität wird im Neuen Testament folgendermaßen gekennzeichnet: Heulen und Zähneklappern (Mt 8,12; 13,42.50; 22,13; 24,51...); Finsternis (Mt 22,13; 2. Petr 2,4.17; Jud 6) ; Feuer (Mt 3,10; 13,40; Joh 15,6); ewiges Feuer (Mt 18,8; 25,41; Mk 9,43); Feuer und Schwefel (Offb 14,9ff.); Feuersee (Offb 20,14f.); Feuer- und Schwefelsee (Offb 20,10; 21,8); feuriger Pfuhl (Offb 19,20; 20,15); Feuerofen (Mt 13,41f. 50); Strafe ewigen Feuers (Jud 7); unauslöschliches Feuer (Mk 9,43.48; Lk 3,17); nicht sterbender Wurm (Mk 9,48; vgl. Jes 66,24); Qual (Offb 14,11; vgl. Lk 16,23ff.). Selbst wenn man davon ausgeht, dass diese Charakterisierungen ganz oder teilweise bildlich gemeint sein sollten, so sind doch entsetzliche Wirklichkeiten erkennbar: Gottesferne, Finsternis und quälende Schmerzen. Die drastischen Hinweise auf quälende Schmerzen in der Gehenna lassen sich m.E. nicht mit einer Auslöschung oder Vernichtung der Existenz vereinbaren, wie Vertreter der Annihilations-Theorie behaupten. Würde der Mensch bei seinem irdischen Tod wirklich ausgelöscht, dann wäre der Hinweis auf das "ewige" oder "unauslöschliche Feuer" (to pyr to asbeston), den "nicht sterbenden Wurm" (ho skolex ou teleuta) und die damit verbundene Qual überflüssig, ja unverständlich. Nirgends in der Heiligen Schrift findet sich ein klarer Beleg dafür, dass dieses "Feuer" ein einmaliger Vernichtungsakt sei, welcher die Existenz des Menschen beende, sondern es wird im Gegenteil seine ewige Dauer (aionios; s.u.) betont. Wenn von "H." als dem ewigen Schicksal der Verdammten in der Bibel die Rede ist, so werden hierfür durchgehend Begriffe gebraucht, die ein Schaudern und Erschrecken hervorrufen. Die Gehenna ist nicht unwirklich, irdisch, zeitlich, leer, das Fegefeuer, die Vernichtung oder der Zustand zwischen Wiederverkörperungen, wie von unterschiedlichen Lehrrichtungen behauptet wird. Sie ist vielmehr der Ort ewiger Bestrafung, Qual und Gottesferne. Auch die Tatsache, dass "der Tod und sein Reich" in den feurigen Pfuhl geworfen werden (Offb 20,14) spricht nicht gegen die Realität der Gehenna. Vielmehr kommt durch diese Formulierung der Übergang vom Totenreich (Scheol, Hades) als Zwischenzustand (vgl. den Kontext in Offb 20,12f.!) zur endgültigen Stufe der ewigen Verdammnis zum Ausdruck. Die Scheol wird aufgelöst – und das heisst: alle, die in ihr sind, werden ihrer endgültigen Bestimmung preisgegeben.

Nun wird von verschiedenen Seiten behauptet, dass "ewig" (aionios) nicht einen unaufhörlichen Zustand der Qual, sondern die Folge eines einmaligen Aktes der Auslöschung bezeichne: das niemals endende Vernichtetsein. Diese Argumentation stimmt nicht mit dem neutestamentlichen Gebrauch des Begriffes "aionios" überein, der eine unaufhörliche Dauer zum Ausdruck bringt (vgl. Bauer 1971, Sp. 55 f.). Ferner lässt sich darauf antworten, dass das gleiche griechische Wort "aionios", welches im Neuen Testament für die "ewige Verdammnis" gebraucht wird, auch auf Gott und seine Segnungen Anwendung findet. René Pache hat errechnet, dass das Neue Testament "aionios" "vierundsechzigmal auf himmlische und selige Wirklichkeiten der anderen Welt" anwendet: "der ewige Gott, Seine ewige Macht, der ewige Geist, das ewige Leben, das ewige Evangelium, das ewige Reich, das ewige Heil, die ewige Erlösung, der ewige Bund, das ewige Erbe, die ewige Herrlichkeit, der ewige Trost, die ewigen Hütten, die ewigen Zeiten, die ewigen unsichtbaren Dinge". Siebenmal findet es Anwendung auf Kennzeichen der Verdammnis: Mt 18,8; 25,41; Jud 7: das ewige Feuer; Mt 25,46: die ewige Pein; Mk 3,29; Hebr 6,2: das ewige Gericht; 2. Thess 1,9: das ewige Verderben. Bei den Kennzeichnungen Gottes und der Eigenschaften der Seligkeit steht außer Frage, dass "aionios" "ewig" im Sinne einer Dauer ohne Ende meint, nicht nur eine andere "Daseinsqualität". Pache fragt zu Recht: "Wie kann ein Wort, das vierundsechzigmal ´ewig` bedeutet, sieben andere Male einen anderen Sinn haben?" (Das Jenseits, 1957, 163f.). Wenn die Bibel somit von einer ewigen Qual der Dämonen und gottlosen Menschen spricht, folgt daraus, dass sie nicht einfach vernichtet werden.

Ferner wird immer wieder das im Neuen Testament gebrauchte Wort "apoleia" ins Feld geführt, das angeblich "Vernichtung" bedeuten soll. Aber es gilt: "Apollusthai ist nun [sc. im Neuen Testament] im Gegensatz zum sozesthai oder zur zoe aionios ein definitives Scheitern, nicht einfach das Erlöschen der physischen Existenz, sondern das ewige Versinken im Hades, ein hoffnungsloses Todesgeschick ... Einfaches Erlöschen der Existenz ist auch hier nicht gemeint ..., sondern ein nicht endender qualvoller Todeszustand" (ThWNT I, S. 395 f.). Vom biblischen Befund her ist nämlich festzustellen, dass "apollymi", "apoleia" und die wurzelverwandten Formen eine ganze Reihe von Bedeutungen haben können: "verlieren" (Mt 10,6.39; 15,24; 16,25; 18,11.14; Lk 15,4.6.8.9.24.32 u.a.); "verderben" (Mt 7,13; 9,17; 10,28; 2. Petr 2,1; Offb 17,8.11 u.a.); "verschwenden" (Mt 26,8; Mk 14,4); "umbringen" (Mt 2,13; 12,14; 21,41 u.a.); "umkommen" (Mt 5,29 f.; 26,52 u.a.). Apoleia hat somit nicht in erster Linie die Bedeutung von "vernichten", sondern von "verloren gehen", von "Untergang". Apoleia ist "nicht der Verlust der Existenz, sondern das Ende einer wohlbefindlichen Existenz" (H.-J. Ronsdorf, Und die Toten leben doch. Die Unsterblichkeit der Seele, 1992, 150).

S. auch: Ganztod-Lehre; Auferstehung; >Allversöhnung..

Lit.: H.-J. Ronsdorf, Und die Toten leben doch, 1992; L. Gassmann, Was kommen wird, 2002

Lothar Gassmann


Index

Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handbüchern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines Ökumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

Weitere Handbücher (über Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de