Heftige Kritik
an modernen Bibelübersetzungen

«In modernen Bibelausgaben finden sich schwerwiegende Umdeutungen.»

Theologen kritisieren «Gute Nachricht » und «Hoffnung für alle »:
Die Bibel wird säkularisier .

 

Article von ethos 8 | 2003 - S. 56-57
Mit Erlaubniss von C.H. - Redaktion ethos - am 26/08/2003
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Drei evangelische Theologen aus Deutschland und der Schweiz, der Neutestamentler Prof. Peter Wick (Bochum), der Pfarrer am Baseler Münster, Dr. Bernhard Rothen, und der Alt-testamentler Dr. Stefan Felber (Theologisches Seminar St. Chrischona, Basel), haben im Rahmen einer Vortragsreihe in Basel Ende Mai und Anfang Juni heftige Kritik an den modernen Bibelübersetzungen «Die Gute Nachricht» und «Hoffnung für alle» geübt. Diese haben sie in 15 Thesen zusammengefasst.

15 Thesen zu den modernen Bibelübersetzungen, die den Anspruch grösserer Verständlichkeit erheben

« Wenn ihr in meinem Worte bleibt, seid ihr wahrhaftig meine Jünger, und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.»
Johannes 8,31+32

1 - Seit einer Generation verdrängen moderne Bibelübersetzungen die alten aus dem Gebrauch. Dies geschieht zum Teil gegen den Willen der Herausgeber – aber es geschieht. (Sie sind nicht nur «Einsteigerbibeln», sondern weithin auch «Verdrängerbibeln».)

2 -Diese modernen Übersetzungen versprechen eine grössere Verständlichkeit bei gleichzeitiger inhaltlicher Treue. Der Anspruch, den sie erheben, ist gross: Sie

«vereint die selbstverständliche Treue zum Original mit dem Bemühen um grösstmögliche Verständlichkeit. Sie kann genauer als eine ‘wörtliche’ Übersetzung angeben, was die Aussage des Textes in einer bestimmten Stelle ist»
(Nachwort «Gute Nachricht» 1997).

«Sie soll auf ihre Leser möglichst die gleiche Wirkung haben, wie sie das Original auf die damaligen Leser hatte!»
(Einleitung «Hoffnung für alle» 2002).

3 - In diesen modernen Bibelausgaben finden sich aber schwerwiegende Umdeutungen, in denen natürliche Gedanken das Bibelwort überlagern. In ihnen wird anschaulich, dass «Wollen und Vollbringen» (Römer 7,19) nicht dasselbe sind: Die modernen Theorien führen nicht zu einer treuen, geduldigen und kampfbereiten kirchlichen Praxis, sondern zu einem eigenwillig verengten Verständnis dieser Praxis.

4 - Der Vergleich zwischen dem Bibeltext in den Ursprachen und den klassischen Bibelübersetzungen auf der einen und den modernen Bibelübersetzungen auf der anderen Seite zeigt unter anderem:

6 - Darin spiegeln sich Vorstellungen und Erwartungen, die zu allen Zeiten die Gemeinde Christi als nahe liegende, aber irreführende Meinungen begleitet haben. Ungute Entwicklungen werden dadurch gefördert:

6 - Das gute Gefühl wird zum Massstab, und man verlangt, dass möglichst alles möglichst unmittelbar verständlich und anwendbar sein müsse.

Grundlegend für die modernen Übersetzungen ist die Theorie Eugen A. Nidas (amerikanische und internationale Bibelgesellschaft).

Nach seiner Lehre von der so genannten dynamisch-funktionalen, dynamisch-äquivalenten oder auch kommunikativen Methode müssen die Übersetzer nicht Worte und Sätze, sondern das Verstehen und die Wirkung von einer Sprache in die andere übertragen. Die kreative Leistung, die von den Übersetzern gefordert wird, ist unvergleichlich viel grösser als bei allen klassischen Übersetzungen. Die Übersetzer müssen den Leuten nicht «aufs Maul» schauen (Luther), sondern in das Verstehen. Diese Methode muss den Übersetzern in der Regel mit Macht aufgedrängt werden:

«Es  braucht vier Wochen, um sie intellektuell ..., und weitere zwei Wochen, um sie emotional willig zu machen» dazu (Nida).

7 - Unsere Kritik an diesen modernen Übersetzungen richtet sich nicht nur gegen einzelne Fehler, sondern dagegen, dass eine neue, eigenwillige und über die Massen anspruchsvolle Methode die Übersetzungen in bestimmte Bahnen leitet. Dadurch wird der Bibeltext einer bestimmten Sprachphilosophie nachgeordnet, untergeordnet und ihr entsprechend verändert. Nach dem Urteil eines übersetzungswissenschaftlichen Standardwerkes eignet sich die von Nida vorgeschlagene Methode besonders für «naturwissenschaftliche und technische Texte», etwa Bedienungsanleitungen, nicht aber für religiöse oder poetisch geformte Texte (W. Koller). Sie eignet sich also auf keinen Fall für die Übersetzung der Heiligen Schrift.

8 - Die Behauptung ist falsch und irreführend, mit dieser Methode könne genauer als in herkömmlichen Übersetzungen angegeben werden, was der originale Sinn des ursprünglichen Textes ist. Im esten Fall kann ein Sinnelement stark herausgearbeitet werden. Dies geht aber in der Regel auf Kosten vieler anderer Sinnelemente. Zu Wort kommt, was die Übersetzer verstanden haben.

9 - Es lässt sich gut begründet behaupten, dass die modernen Bibelausgaben die aufklärerische Kritik an Form und Autorität in den Bibeltext eintragen. Die Bibel wird säkularisiert.

10 - Es ist deshalb nötig, die modernen Bibelausgaben deutlich als freie Übertragungen zu kennzeichnen. Sowohl in ihrem Titel wie in Einführung oder Nachwort und Werbung muss deutlich gesagt werden, dass es sich nicht um wortgetreue Übersetzungen handelt und dass sich diese Bibelausgaben deshalb nicht dafür eignen, das Wort Gottes als die tägliche geistliche Nahrung aufzunehmen und es mit der ganzen Liebe und dem Vertrauen der Gotteskindschaft ins Herz zu senken.

11 - Wer im Glauben wachsen und reifen will, muss sich einer klassischen Bibelübersetzung anvertrauen und darf dies vertrauensvoll tun (z. B. Luther, Zürcher, Schlachter, Elberfelder).

Dass uns solche zuverlässigen Bibelübersetzungen gegeben sind, verdanken wir nicht einer bestimmten Methode, sondern dem Wirken des Geistes, das an Pfingsten offenbar geworden ist. Er bewirkt, dass dieses Wort in der Gemeinde vernommen und recht beurteilt werden kann (1. Korinther 2,13).

12 - Wer die Bibel in richtiger Weise lesen will, ist und bleibt angewiesen auf die Gemeinschaft der Gläubigen und die Erkenntnisse und Gaben, die Gott dieser Gemeinschaft gegeben hat und noch immer schenkt: die Rechtsordnungen und Einsichten, die uns in den Traditionen, Lehren und Liedern der Kirchen begegnen, und die Prediger, Lehrer, Leiter, die Gott zum Dienst beruft.

13 - Das soll nach dem Willen Gottes so sein: Der Glaube ist keine Privatsache.

14 - Als Bibelleser sollen die Glieder der Glaubensgemeinschaft aber mündig und urteilsfähig werden. Das Mittel, durch das die evangelischen Christen eine Freiheit zum Protest auch gegenüber den Pfarrern, Gemeindeleitern und den gesellschaftlichen Normen und Trends erhalten, ist die Heilige Schrift. Dazu müssen sie aber zuverlässig wissen können, was geschrieben steht.

15 - Eine einfacher lesbare, wort- und textgetreue Übersetzung in die deutsche Umgangssprache ohne literarischen Anspruch wäre denkbar. Sie hätte aber in der Frömmigkeitskultur (und damit wirtschaftlich) erst eine Chance, wenn die modernen Übertragungen als solche gekennzeichnet sind. Ob eine solche neue Übersetzung eine richtige Antwort auf die Herausforderung unserer Zeit ist oder die Christenheit nur noch weiter zersplittert, ist eine offene Frage. Unzweifelhaft ist, dass es eine nie abgeschlossene Aufgabe ist, das Wort Gottes in den Gemeinden klar zu bewahren, und dass es viele heute versäumte Möglichkeiten gibt, es unter die Menschen zu bringen. (idea)

Dr. Stefan Felber,
Dozent für Altes Testament am Theologischen Seminar St. Chrischona;

Dr. Bernhard Rothen,
Münsterpfarrer in Basel;

Prof. Dr. Peter Wick,
Ordinarius für neutestamentliche Wissenschaft in Bochum