Kirchenverständnis
der Römisch-Katholischen Kirche

Klick auf den Kompass öffnet den IndexA. Das Selbstverständnis der Römisch-Katholischen Kirche

1. Die Kirche ist der mystische Leib Christi und als solcher das Ursakrament. Sie ist unsichtbar und sichtbar zugleich. Sie ist das Gottesvolk des Neuen Bundes.

a. Die Kirche ist der mystische Leib Christi .

Sie bildet Christus nicht nur ab, sondern ist Christus selber in neuer Gestalt. Der Katechismus der Katholischen Kirche (Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche) Nr. 795 zitiert Augustin und Thomas von Aquin:

"Lasst uns also jubeln und Dank sagen, dass wir nicht bloß Christen geworden sind, sondern Christus" (Augustin, ev. Jo. 21,8).

"Haupt und Glieder sind gleichsam eine mystische Person" (Thomas v. A., S. th. III, q. 48, a. 2, ad 1).

Es besteht

"ein wunderbar tiefes Verbundensein aller Gläubigen mit Christus, ganz wie zwischen dem Haupt und den übrigen Gliedern eines Leibes". Dieses Verbundensein geht so weit, dass sogar "Christi Sühneleiden ... in seinem geheimnisvollen Leibe, der Kirche, erneuert, gleichsam fortgesetzt und vollendet"

wird. Diese Fortsetzung des Sühneleidens Christi, die Sühnegemeinschaft mit ihm erfolgt insbesondere im "eucharistischen Opfer" (Rundschreiben Papst Pius XI. "Miserentissimus Redemptor", 1928; s. Neuner-Roos, Der Glaube der Kirche, Nr. 241ff.).

b. Die Kirche, die diese Sühnegemeinschaft mit Christus durch das eucharistische Opfer in vollkommener Weise pflegt und die Vollzahl der Sakramente besitzt, ist die römisch-katholische. Diese "ist, in Analogie zum Herrn selbst, Ursakrament , d.h. sie kann als die sichtbar und greifbar gewordene Gnade Gottes dem Menschen in Wort und Sakrament unfehlbar das Heil zusagen und vermitteln" (Neuner-Roos S. 248).

"Sie ist unter allen Völkern und Religionen das sichtbare Zeichen des bleibenden und für immer siegreichen Heilswillens Gottes und seiner Heilszusage in Jesus Christus. Sie weist nicht nur auf das übernatürliche Heil hin, sondern sie ist, trotz aller menschlichen Schwäche und trotz Sünde, die Sichtbarkeit der göttlichen Gnade selbst" (Neuner-Roos, S. 347).

In der Dogmatischen Konstitution über die Kirche "Lumen gentium" des 2. Vatikanischen Konzils wurde 1964 als doppelter Zweck der sakramentalen Funktion der Kirche definiert:

"Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heisst Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit" ("Lumen gentium" 1; s. Neuner-Roos Nr. 408).

Neben die vertikale tritt hier die horizontale, neben die theologische die anthropologische, neben die mystagogische die ökumenische, ja universalistische Dimension — ein Beispiel für das "aggiornamento" des 2. Vatikanums.

c. Wenn die Kirche der mystische Leib Christi und das Ursakrament ist, so bedeutet dies keineswegs, dass sie unsichtbar ist. Sondern so wie beim "Mysterium des fleischgewordenen Wortes", d.h. bei der Menschwerdung des Gottessohnes Jesus Christus, Geist und Leib, Unsichtbares und Sichtbares zusammenkommen, so ist auch die Kirche sichtbar und unsichtbar zugleich:

"Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi, die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei verschiedene Größen zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst" ("Lumen Gentium" 8, 1964; Neuner-Roos Nr. 410).

d. Die Kirche ist auch das Gottesvolk des Neuen Bundes . Sie nimmt die Stelle ein, die dem Volk Israel im Alten Bund zukam (Substitutionslehre). Von der Anknüpfung an das alttestamentliche Priestertum und seiner Ablösung durch die KK her erklären sich mancherlei Gebräuche, wie etwa der Opfercharakter der Eucharistie, bestimmte liturgische Elemente, die Verwendung von Priestergewändern, Weihrauch, Weihwasser und ähnliches. In "Lumen gentium" heisst es: Gott hat sich

"das Volk Israel zum Eigenvolk erwählt und hat mit ihm einen Bund geschlossen und es Stufe für Stufe unterwiesen ... Dies alles aber wurde zur Vorbereitung und zum Vorausbild jenes neuen und vollkommenen Bundes, der in Christus geschlossen, und der volleren Offenbarung, die durch das Wort Gottes selbst in seiner Fleischwerdung übermittelt werden sollte" (Neuner-Roos Nr. 413).

Während die RKK zum jüdischen Glauben in früheren Jahrhunderten eher eine ablehnende Haltung einnahm, gesteht sie im neuen Katechismus zu, dass Gottes Gnade und Berufung gegenüber Israel "unwiderruflich" sind, und spricht davon, dass "das Gottesvolk des Alten Bundes und das neue Volk Gottes ähnlichen Zielen" zustreben, nämlich der "Ankunft (oder ... Wiederkunft) des Messias" (Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche Nr. 839f.).

2. Die Zugehörigkeit zur Kirche beruht auf der Taufe und ist heilsnotwendig. Unverschuldete Unkenntnis der Kirche schließt aber nicht vom Heil aus.

Die Römisch-Katholische Kirche (RKK) lehrt die Taufwiedergeburt und betrachtet die Taufe als Sakrament des Eintritts in die Kirche (Initiation). Die Taufe hat in der katholischen Lehre eine fundamentale Bedeutung und ihr werden viele Wirkungen zugeschrieben, die sich im Neuen Testament auf den persönlichen Glauben beziehen. So heisst es im Katechismus:

"Durch die Taufe werden wir von der Sünde befreit und als Söhne Gottes wiedergeboren; wir werden Glieder Christi, in die Kirche eingefügt und an ihrer Sendung beteiligt: 'Die Taufe ist das Sakrament der Wiedergeburt durch das Wasser im Wort.`" (Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche Nr. 1213).

Da die Taufe als Initiationsritus verstanden wird, ist es selbstverständlich, dass die Kindertaufe als Regelfall gilt:

"Die Kirche und die Eltern würden dem Kind die unschätzbare Gnade vorenthalten, Kind Gottes zu werden, wenn sie ihm nicht schon bald nach der Geburt die Taufe gewährten" (Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche Nr. 1250).

Auch wenn gesagt wird, dass die Taufe "heilsnotwendig" ist, der Seele "ein unauslöschliches Zeichen" einprägt, "Geburt zum neuen Leben" wirkt und der Getaufte "der Kirche, dem Leib Christi eingegliedert" wird (Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche Nr. 1277ff.), so kommt ihr doch kein Automatismus zu. Der Getaufte kann auch des Heils verlustig gehen, und zwar dann, wenn er sich mit vollem Bewusstsein von der KK als dem Ursakrament und Leib Christi sowie vom "Glauben der Kirche" (im Unterschied zum individuellen Glauben) abwendet: "Jeder Gläubige kann nur im Glauben der Kirche glauben" (Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche Nr. 1253). "Wer sich willentlich der Kirche verschließt, verweigert sich dem Herrn selbst und damit seinem eigenen Heil" (Neuner-Roos, S. 248). Das Zweite Vatikanische Konzil hat folgende Unterscheidung getroffen:

"Jene werden der Gemeinschaft der Kirche voll eingegliedert, die, im Besitze des Geistes Christi, ihre ganze Ordnung und alle in ihr eingerichteten Heilsmittel annehmen und in ihrem sichtbaren Verband mit Christus, der sie durch den Papst und die Bischöfe leitet, verbunden sind, und dies durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung und Gemeinschaft. Nicht gerettet wird aber, wer, obwohl der Kirche eingegliedert, in der Liebe nicht verharrt und im Schosse der Kirche zwar 'dem Leibe`, aber nicht 'dem Herzen` nach verbleibt" ("Lumen Gentium" 14; s. Neuner-Roos Nr. 417).

Es ergibt sich also zweierlei: Zum einen, dass die Zugehörigkeit zur KK heilsnotwendig ist. Zum zweiten, dass eine bloße Mitgliedschaft "dem Leibe", d.h. der irgendwann vollzogenen Taufe nach, nicht ausreicht, sondern dass eine innere Bejahung des "Glaubens der Kirche", also eine Mitgliedschaft "dem Herzen nach" hinzukommen muss.

Die Heilsnotwendigkeit der Mitgliedschaft in der RKK wurde in verschiedenen Dogmen schon früh zum Ausdruck gebracht. Bereits um 250 n. Chr. prägte der Kirchenvater Cyprian den Satz: "Salus extra ecclesiam non est (außerhalb der Kirche kein Heil" (De ecclesiae catholicae unitate). Er wurde immer wieder in Verlautbarungen des römischen Stuhls aufgegriffen, so etwa bei der IV. Kirchenversammlung im Lateran im Jahre 1215: "Es gibt nur eine allgemeine Kirche der Gläubigen. Ausser ihr wird keiner gerettet." Dieser Heilsanspruch wird mit der Dogmatisierung der Transsubstantiations-Lehre im Zusammenhang mit dem eucharistischen Opfergedanken verknüpft:

"In ihr (der heilsvermittelnden Kirche) ist Jesus Christus Priester und Opfer zugleich. Sein Leib und Blut ist im Sakrament des Altars unter den Gestalten von Brot und Wein wahrhaft enthalten, nachdem durch Gottes Macht das Brot in den Leib und der Wein in das Blut wesensverwandelt sind" (Neuner-Roos Nr. 375).

In Verlautbarungen des 1. und 2. Vatikanischen Konzils wurde der Exklusivitätsanspruch der KK, Heilsmittlerin zu sein, zwar grundsätzlich beibehalten, aber in seiner Anwendung doch etwas modifiziert. Die Zugehörigkeit "dem Herzen nach" erlangte hier wesentliche Bedeutung. So heisst es im ersten Entwurf der Konstitution über die Kirche Christi des 1. Vatikanums aus dem Jahre 1870:

"Außerhalb der Kirche kann niemand gerettet werden. Freilich sind nicht alle, die in unüberwindlicher Unwissenheit über Christus und seine Kirche leben, schon aufgrund dieser Unwissenheit ewig zu verdammen. Denn vor den Augen des Herrn trifft sie keine Schuld, der will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Er schenkt auch jedem seine Gnade, der sich nach Kräften müht, so dass er die Rechtfertigung und das ewige Leben erreichen kann. Diese Gnade erhält aber keiner, der von der Einheit des Glaubens oder von der Gemeinschaft der Kirche aus eigener Schuld getrennt ist und so aus diesem Leben scheidet. Wer nicht in dieser Arche ist, wird in der Sintflut umkommen" (Neuner-Roos Nr. 369).

Das 2. Vatikanische Konzil hat die Beurteilung derer, die sich außerhalb der "Arche" der RKK befinden, detailliert gestaltet. Darauf gehe ich im nächsten Abschnitt ein.

3. Die Kirche wird definiert als die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.

a. Die Kirche ist eine einzige .

In Anlehnung an Eph 4,3-6 wird im Katechismus die Einheit der Kirche folgendermaßen begründet:

"Sie hat nur einen Herrn, bekennt nur einen Glauben, geht aus einer einzigen Taufe hervor, bildet nur einen Leib, wird von einem einzigen Geist beseelt auf eine einzige Hoffnung hin; ist diese einmal erfüllt, dann werden alle Trennungen überwunden sein" (Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche Nr. 866).

Die Einheit der Kirche ist zunächst eine innere, unsichtbare Größe, bestehend aus all jenen, die zu Jesus Christus als dem Haupt des Leibes gehören. Sie ist aber auch eine sichtbare Größe, die ihre Zusammenfassung im Amt des Nachfolgers Petri als dem sichtbaren Haupt der Kirche auf Erden findet. Die Kirchen, die von dieser sichtbaren Einheit noch getrennt sind, streben doch mehr oder weniger auf das Ziel der katholischen Einheit hin. In ihnen finden sich in unterschiedlichem Masse Elemente der Wahrheit, während die RKK die Fülle der Wahrheit und des Heils verkörpert. Das 2. Vatikanische Konzil definiert:

"Die einzige Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen ... in dieser Welt als Gesellschaft verfasst und geordnet, ist verwirklicht in der KK, die vom Nachfolger Petri und den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird. Das schließt nicht aus, dass außerhalb ihres Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen" ("Lumen Gentium" 8; s. Neuner-Roos Nr. 411).

Das 2. Vatikanische Konzil unterscheidet drei Stufen der Zugehörigkeit oder des Hindrängens zur KK:

"Zu dieser katholischen Einheit des Gottesvolkes ... sind alle Menschen berufen. Auf verschiedene Weise gehören ihr zu oder sind ihr zugeordnet die katholischen Gläubigen, die anderen an Christus Glaubenden und schließlich alle Menschen überhaupt, die durch die Gnade Gottes zum Heile berufen sind" ("Lumen Gentium" 13; s. Neuner-Roos Nr. 416).

Die katholischen Christen sind "der Gemeinschaft der Kirche voll eingegliedert". Mit den anderen Christen,

"die als Getaufte mit dem christlichen Namen geziert sind, den vollständigen Glauben aber nicht bekennen oder die Gemeinschaft unter dem Nachfolger des Petrus nicht wahren, weiss sich die Kirche aus mehreren Gründen verbunden".

Viele von diesen halten z.B.

"die Schrift als Glaubens- und Lebensnorm in Ehren, zeigen einen aufrichtigen religiösen Eifer, glauben in Liebe an Gott".

Sie "empfangen das Zeichen der Taufe" und zum Teil sogar andere Sakramente, wie etwa die orthodoxe Kirche, der

"nur wenig fehlt, um zu der Fülle zu gelangen, die zu einer gemeinsamen Feier der Eucharistie des Herrn berechtigt".

Die nicht-katholischen Kirchen stehen somit

"in einer gewissen, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft mit der KK" ("Lumen gentium" 14f. und "Unitatis redintegratio" 3.13-18; s. Neuner-Roos Nr. 417f. und Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche Nr. 837f.).

Der Anspruch der RKK geht aber noch weiter. Sie betrachtet sich als "der Ort, an dem die Menschheit ihre Einheit und ihr Heil wiederfinden soll. Sie ist 'die versöhnte Welt`" (Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche Nr. 845). Deshalb sind auch die Angehörigen nichtchristlicher Religionen "auf das Volk Gottes in verschiedener Weise hingeordnet". Am engsten ist das Verhältnis zum jüdischen Volk, denn dieses besitzt "die Sohnschaft, die Herrlichkeit, die Bundesordnungen, ihm ist das Gesetz gegeben, der Gottesdienst und die Verheißungen, sie haben die Väter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christus". Die nächst-engere Verbindung besteht zu den anderen monotheistischen Religionen. So wird — unter Außerachtlassung von Stellen wie Apg 16,30f. und 1. Joh 2,22f.! — formuliert:

"Die Heilsabsicht umfasst auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslime, die sich zum Festhalten am Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einzigen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird."

Und schließlich wird unter Berufung auf den ersten Glaubensartikel ("Gott der Schöpfer") von einer "Verbindung der Kirche mit den nichtchristlichen Religionen" überhaupt gesprochen, die "im gemeinsamen Ursprung und Ziel des Menschengeschlechts" liege. Die Religionen suchen "in Schatten und Bildern" nach Gott. In ihnen findet sich neben "Grenzen und Irrtümern" doch "Wahres und Gutes". Dieses Wahre und Gute betrachtet die Kirche

"als Vorbereitung für die Frohbotschaft und als von dem gegeben ... der jeden Menschen erleuchtet, damit er schließlich das Leben habe" ("Lumen gentium" 16; Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche Nr. 839ff.).

Die Verlautbarungen des 2. Vatikanums zum Ökumenismus waren teilweise von Karl Rahners 1961 vorgetragener Ansicht über die "anonymen Christen" in anderen Religionen beeinflusst und wurden auf dem Konzil heftig diskutiert (vgl. K. Rahner, "Das Christentum und die nichtchristlichen Religionen", 1961, abgedruckt in: Schriften zur Theologie, Bd. V, 1962).

Die Spannung zwischen katholischer Exklusivität, christlichem Missionsauftrag und ökumenischer Unversalität wird z.B. in folgender zusammenfassender Formulierung aus dem Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche "Ad gentes" (1965) deutlich:

"Wenngleich Gott Menschen, die das Evangelium ohne ihre Schuld nicht kennen, auf Wegen, die er weiss, zum Glauben führen kann, ohne den es 'unmöglich` ist, ihm 'zu gefallen` (Hebr 11,6), so liegt doch auf der Kirche die Notwendigkeit und zugleich das heilige Recht der Verkündigung der Frohbotschaft" ("Ad gentes" 7; Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche Nr. 848).

b. Die Kirche ist heilig .

Sie ist von Christus erwählt und ausgesondert als das "heilige Volk Gottes". Sie besitzt die Fülle der sakramentalen Heilsmittel. Sie vertraut auf die Fürsprache der vollendeten Heiligen und besonders der Gottesmutter Maria. Weil in ihrem Schoss Sünder sind, ist sie zugleich heilig und erneuerungsbedürftig. So wird im Katechismus definiert:

"Die Kirche ist heilig: Der heilige Gott ist ihr Urheber; Christus, ihr Bräutigam, hat sich für sie hingegeben, um sie zu heiligen; der Geist der Heiligkeit belebt sie. Zwar gehören ihr auch Sünder an, doch ist sie 'die Sündenlose, die aus Sündern besteht`. In den Heiligen erstrahlt ihre Heiligkeit; in Maria ist sie schon vollkommen heilig" (Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche Nr. 867).

c. Die Kirche ist katholisch .

"Katholisch" kommt vom griech. "katholikos" = "das Ganze betreffend", "allumfassend". Seit Augustin wird der Begriff im geographischen Sinn ("über die ganze Erde verbreitet"), im numerischen Sinn ("zahlenmäßig die größte Kirche") und im zeitlich-geschichtlichen Sinn ("was überall und immer von allen geglaubt worden ist"; vgl. Vinzenz von Lerinum) verwendet. Auch das 2. Vatikanische Konzil und der von ihm geprägte Katechismus von 1993 nennen den quantitativen (geographischen, numerischen und geschichtlichen) Aspekt:

"Zum neuen Volk Gottes werden alle Menschen gerufen. Deswegen muss dieses Volk eines und ein einziges bleiben und sich über die ganze Welt und durch alle Zeiten hin ausbreiten ... Diese Eigenschaft der Universalität, die das Volk Gottes auszeichnet, ist eine Gabe des Herrn selbst, mit deren Hilfe die KK tatkräftig und stetig danach strebt, die ganze Menschheit mit all ihren Gütern unter dem Haupt Christus zusammenzufassen in der Einheit seines Geistes" ("Lumen gentium" 13; Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche Nr. 831).

Wichtiger erscheint nun aber der qualitative, geistliche Aspekt des "Katholischen", der folgendermaßen definiert wird: Die Kirche "ist katholisch, weil in ihr Christus zugegen ist. 'Wo Jesus Christus ist, da ist die KK`" (Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche Nr. 830; Zitat im Zitat: Ignatius von Antiochia, Smyrn. 8,2). "Katholisch" wird hier freilich im konfessionellen Sinne ("römisch-katholisch") verstanden, denn nur die RKK als Ursakrament, als mystischer Leib Christi ist es, welche

"die Fülle der Mittel zum Heil"

besitzt, nämlich

"das richtige und ganze Glaubensbekenntnis, das vollständige sakramentale Leben und das geweihte Dienstamt in der apostolischen Sukzession" (Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche Nr. 830).

Nach diesem Selbstverständnis der RKK ist es unerlässlich, dass die anderen Kirchen auf die Einheit mit ihr zustreben, um auch zur Fülle des katholischen Glaubens und Heils zu gelangen.

d. Die Kirche ist apostolisch ,

und zwar in dreifacher Hinsicht. Zum ersten ist sie

"gegründet auf das Fundament der Apostel und Propheten",

also der ersten, von Jesus selbst erwählten Jünger (Apostolizität des Ursprungs — apostolicitas originis; vgl. Eph 2,20). — Zum zweiten ist ihr aufgetragen, die apostolische Lehre zu bewahren und weiterzugeben, wofür ihr der Beistand des Heiligen Geistes verheißen ist (Apostolizität der Lehre — apostolicitas doctrinae; vgl. Mt 28,19f.; 1. Tim 1,13f.). — Zum dritten steht sie mit den Uraposteln in einer geistlichen Gemeinschaft, indem von diesen ausgehend in einer ununterbrochenen Kette bis heute ihren Nachfolgern, den Bischöfen, unter Handauflegung bei der Weihe die Fülle des Heiligen Geistes und damit die Bevollmächtigung zu ihrem Amt übertragen wurde (Apostolizität der Sukzession — apostolicitas successionis). Während sich für die ersten beiden Formen der Apostolizität leicht biblische Belege beibringen lassen, fällt dies bei der Annahme einer apostolischen Sukzession schwer. Neutestamentliche Apostolizität setzte in der Regel Augenzeugenschaft des Lebens Jesu voraus und war unübertragbar (Apg 1,15ff.). Auch der Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche stellt dies fest:

"Im Auftrag der Apostel liegt eine unübertragbare Aufgabe: erwählte Zeugen der Auferstehung des Herrn und Fundamente der Kirche zu sein."

Dann jedoch wird behauptet:

"Gleichzeitig liegt darin aber auch eine übertragbare Aufgabe."

Begründet wird dies mit dem Sendungsauftrag, der über den Tod der Apostel hinaus fortdauert:

"Wie aber das Amt fortdauert, das vom Herrn in einzigartiger Weise Petrus, dem Apostel, gewährt wurde und seinen Nachfolgern übertragen werden sollte, so dauert auch das Amt der Apostel, die Kirche zu weiden, fort, das von der geheiligten Ordnung der Bischöfe immerwährend ausgeübt werden muss."

Darum lehrt die RKK, "dass die Bischöfe aufgrund göttlicher Einsetzung an die Stelle der Apostel nachgerückt sind, gleichsam als Hirten der Kirche; wer sie hört, hört Christus, und wer sie verachtet, verachtet Christus und den, der Christus gesandt hat" ("Lumen gentium" 20; Kirchenverständnis der Römisch-Katholischen Kirche Nr. 860ff.).

B. Die Kritik der Reformatoren am katholischen Kirchenverständnis

1. Die Kirche ist ein christliches heiliges Volk. Sie wird konstituiert durch das Wort Gottes in seiner unterschiedlichen Gestalt.

Die klassische reformatorische Definition der Kirche findet sich – von Philipp Melanchthon formuliert – im Augsburger Bekenntnis, Artikel 7: "Item docent, quod una sancta ecclesia perpetuo mansura sit. Est autem ecclesia congregatio sanctorum, in qua evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta " ("Es wird auch gelehret, daß alle Zeit musse ein heilige christliche Kirche sein und bleiben, welche ist die Versammlung aller Glaubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakrament lauts des Evangelii gereicht werden").

Hier finden sich alle wesentlichen Elemente der Kirche nach reformatorischem Verständnis: Sie ist heilig. Sie ist christlich. Sie wird alle Zeit bleiben. Sie besteht aus Heiligen – und das heißt: Gläubigen im neutestamentlichen Sinn –, die sich versammeln. Diesen wird das Evangelium rein gepredigt, und die Sakramente werden ihnen evangeliumsgemäß gereicht.

Das Evangelium und die Sakramente sind unterschiedliche Ausgestaltungen des göttlichen Wortes. Man kann deshalb zusammengefaßt auch so formulieren: Die Kirche – Luther bevorzugt den Begriff "Gemeinde" – ist eine Versammlung von Menschen, die konstituiert wird durch Gottes Wort. Oder noch kürzer:

"Ubi est verbum, ibi est ecclesia"
("Wo das Wort ist, da ist die Gemeinde") (WA 39/2, 176).

Begriffe wie "congregatio" ("Versammlung"), "coetus" ("Zusammenkunft") und ähnliches beschreiben die horizontale Dimension: die Zusammenkunft von Menschen, die das Wort aufnehmen möchten, als Gottes Volk. Das Wort selber stellt die vertikale Dimension dar: Gott spricht sein Wort auf unterschiedliche Weise in die menschliche Versammlung hinein. Beide Dimensionen gehören untrennbar zusammen. So führt Martin Luther 1539 in seiner Schrift "Von den Conciliis und Kirchen" aus:

"Gottes Wort kann nicht ohne Gottes Volk sein. Wiederum, Gottes Volk kann nicht ohne Gottes Wort sein. Wer wollte es sonst predigen oder predigen hören, wo kein Volk Gottes da wäre? Oder was könnte oder wollte Gottes Volk glauben, wo Gottes Wort nicht da wäre?" (Walch 16, 2276).

Betrachten wir zunächst die horizontale Dimension . Nach Luther ist die Gemeinde das "heilige christliche Volk" :

"Aber Ecclesia soll heißen das heilige christliche Volk, nicht allein der Apostel Zeit, die nun längst todt sind, sondern bis an der Welt Ende." "Christlich" heißt: Sie besteht aus Christen. Das Christsein wird definiert durch den rechten Glauben: "Denn wer nicht recht an Christum glaubt, der ist nicht christlich oder ein Christ." "Heilig" heißt: Ihre Glieder sind vom Heiligen Geist erfüllt und für Gott ausgesondert:
"Wer den Heiligen Geist nicht hat wider die Sünde, der ist nicht heilig ... Denn christliche Heiligkeit ... ist die, wenn der Heilige Geist den Leuten Glauben gibt an Christum und sie dadurch heiliget."
Diese Christlichkeit und Heiligkeit kommt nicht zustande durch äußere Werke, Gebräuche oder Gewänder wie bei den "Papisten", sondern allein durch die Wirkung von Gottes Wort im Herzen des Menschen: "Denn Gottes Wort ist heilig und heiliget alles, was es rühret, ja es ist Gottes Heiligkeit selbst" (Walch 16, 2270ff.).

Wie kommt nun Gottes Wort – als die vertikale Dimension – zum Menschen, zur Gemeinde? Erstens im fleischgewordenen Wort: Jesus Christus. Zweitens im schriftgewordenen Wort: der Bibel. Drittens im zeichenhaften Wort: den Sakramenten. Luther sagt:

"Wo das Wort ist, da ist auch die Kirche, da ist der Geist, da ist Christus und alles" (Walch 1, 709).

"Das ist allein die Kirche, welche das reine Wort und die reinen Sakramente hat" (Walch 6, 579).

Auch Calvin definiert:

"Denn überall, wo wir wahrnehmen, daß Gottes Wort lauter gepredigt und gehört wird und die Sakramente nach der Einsetzung Christi verwaltet werden, läßt sich auf keinerlei Weise daran zweifeln, daß wir eine Kirche Gottes vor uns haben" (Institutio IV,1,9).

2. Als Gemeinschaft der Glaubenden ist die Kirche unsichtbar und unter ihren Fehlern verborgen. Als Gemeinschaft des Wortes, des Bekenntnisses und der äußeren Zeichen ist sie sichtbar, allerdings als corpus permixtum (vermischter Leib) aus Gläubigen und Heuchlern.

Grundlegend für die Auseinandersetzung der Reformatoren mit dem Papsttum ist die Unterscheidung zwischen sichtbarer und unsichtbarer Kirche (ecclesia visibilis et invisibilis). Während die römisch-katholische Ekklesiologie die unsichtbare Kirche, den mystischen Leib Christi, als "Ursakrament" an die sichtbare Kirche als Mittlerin der Heilsfülle bindet und den Papst als Stellvertreter Christi auf Erden betrachtet, ist für die Reformatoren eine solche Identifizierung unmöglich.

In seiner Schrift "Von dem Papsttum zu Rom" aus dem Jahre 1520 spricht Luther unter Anknüpfung an Stellen wie Lk 17,20f. und Joh 18,36 von der Kirche als einer "Versammlung im Geist" und betont,

"daß das Reich Gottes ... ist nit zu Rom, auch nit an Rom gebunden, weder hie noch da, sondern wo da inwendig der Glaub ist ... Also daß es erlogen und erstunken ist, und Christo als einem Lügener widerstrebt, wer do sagt, daß die Christenheit zu Rom oder an Rom gebunden sei, viel weniger, daß das Häupt und Gewalt da sei aus göttlicher Ordnung ... Die erste Christenheit, die allein ist die wahrhaftige Kirch, mag und kann kein Häupt auf Erden haben, und sie mag von niemand auf Erden, weder Bischof noch Bapst, regiert werden, sondern allein Christus im Himmel ist hie das Häupt und regieret allein ... Wie kann ein Mensch regieren, das er nit weiß noch erkennet? Wer aber kann wissen, welcher wahrhaftig gläubt oder nit?" (WA 6, 292ff.).

Die unsichtbare Kirche ist also die Gemeinschaft der Glaubenden , und sie ist deshalb unsichtbar, weil kein Mensch vom anderen wissen kann, ob er wirklich glaubt. Gott allein sieht das Herz an (vgl. 1. Sam 16,7). Und dennoch ist die Kirche auch sichtbar , denn in der sichtbaren wird die unsichtbare Kirche erkennbar, manifest , wobei letztere unter vielen Fehlern und Schwächen – unter dem "Fleisch" – verborgen ist. Wirklich erkennbar ist sie deshalb nur dem Glauben. Die Kirche, wie Jesus Christus sie gewollt hat, will und kann nicht "ersehen", sie muß "erglaubt" sein. Deshalb sei es nochmals gesagt: Unter der sichtbaren liegt die unsichtbare Kirche verborgen. In der sichtbaren wird die unsichtbare Kirche manifest.

Luther vergleicht die unsichtbare und sichtbare Kirche oder "Christenheit" mit Seele und Leib des Menschen:

"Die erste, die natürlich, grundlich, wesentlich und wahrhaftig ist, wollen wir heißen ein geistliche innerliche Christenheit. Die andere, die gemacht und äußerlich ist, wollen wir heißen ein leibliche "äußerlich Christenheit. Nit daß wir sie voneinander scheiden wollen, sondern zugleich, als wenn ich von einem Menschen rede und ihn nach der Seelen ein geistlichen, nach dem Leib ein leiblichen Menschen nenne ..." (a.a.O.)

Über die Verborgenheit der Kirche Christi führt er aus: "Es ist dies Stück (Ich gläube eine heilige christliche Kirche) ebensowohl ein Artikel des Glaubens als die anderen. Darum kann sie keine Vernunft, wenn sie gleich alle Brillen aufsetzt, erkennen, der Teufel kann sie wohl zudecken mit Ärgernissen und Rotten, daß du dich müssest dran ärgern; so kann Gott sie auch mit Gebrechen und allerlei Mangel verbergen, daß du mußt drüber zum Narren werden und ein falsch Urteil über sie fassen" (WA DB 7,418).

Während die wahre Kirche der Glaubenden verborgen und nur für den Glauben erkennbar ist, sind für die Wahrnehmung der sichtbaren Kirche gewisse Kennzeichen vorhanden. Luther hat in verschiedenen Schriften eine unterschiedliche Zahl solcher Kennzeichen der Kirche (notae ecclesiae) genannt. Sie lassen sich verstehen als unterschiedliche Ausgestaltungen des göttlichen Wortes.

Die wichtigsten und immer wieder betonten Kennzeichen sind die Verkündigung des Evangeliums sowie die Sakramente Taufe und Abendmahl . Dabei besitzt die Verkündigung des in der Bibel bezeugten Wortes absolute Priorität:

"Ein Zeichen ist nötig, und wir habens auch, nämlich die Taufe, das Brot, und am ersten von allem das Euangelion: diese drei sind der Christen Wahrzeichen, Marken und Kennzeichen (symbola, tesserae et caracteres) ... Wo du aber siehest, daß das Euangelion nicht sei (als wir sehen bei der Synagoge der Papisten und Thomisten), da sollst du nicht zweifeln, daß nicht Kirche sei, wenn sie gleich taufen und essen vom Altar ..., sondern sollst wissen, daß allda Babylon sei ... Denn das Euangelion ist vor dem Brote und der Taufe das einzige, das allergewisseste und das vornehmlichste Wahrzeichen der Kirche, dieweil sie durchs Euangelion allein wird empfangen, gebildet, genährt, geboren, erzogen, geweidet, gekleidet, geziert, gestärkt, gewappnet, erhalten. Kurz, das ganze Leben und Wesen der Kirche steht im Worte Gottes" (WA 7, 720ff.).

In seiner Schrift "Von den Conciliis und Kirchen" hat Luther die Dreizahl zu einer Siebenzahl ausgeweitet. Als notae ecclesiae nennt er jetzt: Wort Gottes, Taufe, Abendmahl, das Amt der Schlüssel (Beichte und Absolution), kirchliche Ämter, Gebet, Kreuz (Leidensnachfolge Christi) . Als weiteres Erkennungszeichen klingt der neue Wandel der Christen, die Frucht der Heiligung an, doch relativiert er dieses als nicht eindeutiges Zeichen gegenüber den anderen:

"Wiewohl aber solch Zeichen nicht so gewiß angesehen mag werden, als die droben, weil auch etliche Heiden sich in solchen Werken geübt ..." (Walch 16, 2291).

Allerdings sind auch die anderen Zeichen – außer dem reinen Wort Gottes – durch die römisch-katholische Kirche pervertiert oder durch weitere – abergläubische – Sakramentalien ergänzt worden, welche die wahre Heilswirksamkeit der echten Zeichen verdeckten: "Da nun der Teufel sahe, daß Gott eine solche heilige Kirche bauete, feierte er nicht und bauete seine Capelle dabei, größer denn Gottes Kirche ist ... Er sahe, daß Gott äußerliche Dinge nahm, als Taufe, Wort, Sakrament, Schlüssel usw., dadurch er seine Kirche heiligte ... nahm er auch äußerliche Dinge vor sich, die sollten auch heiligen ... Also hat er durch die Päpste und Papisten lassen weihen oder heiligen Wasser, Salz, Kerzen, Kräuter, Glocken, Bilder, Agnus Dei, Pallia, Altar, Caseln, Platten, Finger, Hände; wer will’s alles erzählen?" (Walch 16, 2292).

Ein wichtiges Kennzeichen der wahren Kirche ist schließlich das richtige Bekenntnis . Gemeint ist bei Luther zunächst das Petrusbekenntnis ("Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes"; Mt 16,16), später – vor allem bei Melanchthon und Calvin – zunehmend die Bekenntnisse der Reformation. So führt Luther aus: "Die Kirche ist der Haufe oder die Versammlung, die mit Petro bekennen, daß Jesus der Christ und des lebendigen Gottes Sohn sei" (Walch 13, 1179). "Die christliche Kirche ist weder an Ort, Zeit, Person noch anderes gebunden, sondern allein an das Bekenntnis von Christo" (Walch 13, 1176). "Es ist nur eine einige Kirche oder Gottes Volk auf Erden, die da einerlei Glauben, Taufe und Bekenntniß hat, und bei solchem einträchtiglich bleibt und hält" (Walch 12, 898). Philipp Melanchthon zitiert in der Apologie zur Confessio Augustana (Apol. CA 7,22) aus dem Jahre 1531 Nikolaus von Lyra: "Darum stehet die Kirche auf denjenigen, in welchen ist ein recht Erkenntnis Christi, ein rechte Confession und Bekenntnis des Glaubens und der Wahrheit."

Zur Zeit des älteren Melanchthon und Calvins hatte sich zunehmend ein verfaßtes evangelisches Kirchentum herausgebildet. Demzufolge gewann der Gedanke der sichtbaren Kirche und der sie konstituierenden Zeichen wachsende Bedeutung. Deutlich läßt sich verfolgen, wie das Gewicht der sichtbaren Kirche gegenüber der unsichtbaren in den verschiedenen Schriften Melanchthons – von der Apologie der Confessio Augustana (1531) bis zur letzten Fassung der "Loci communes" (1559) – ständig zunimmt. Ulrich Kühn hat diese Entwicklung bei Melanchthon anhand mehrerer Zitate aus den verschiedenen Schaffensepochen aufgezeigt (U. Kühn, Kirche, Gütersloh, 2. Aufl. 1990, S. 39ff.).

So hat Melanchthon in den "Loci communes" von 1559 schließlich die Kirche als "coetus vocatorum" , als Zusammenkunft der sichtbar durch Gottes Wort Gerufenen, bezeichnet – in deutlicher Abgrenzung von früheren prädestinatianischen Bezeichnungen wie "coetus electorum" ("Zusammenkunft der Erwählten"), die sich rein auf die unsichtbare Kirche bezogen:

"Jedesmal, wenn wir an die Kirche denken, sollen wir schauen auf die Versammlung der Berufenen (coetum vocatorum), welche ist die sichtbare Kirche, und sollen nicht davon träumen, daß irgendwelche Erwählten anderswo seien außer in eben dieser sichtbaren Versammlung. Denn Gott will anders nicht angerufen noch erkannt werden, denn wie er sich offenbart hat, und er hat sich nicht anderswo offenbart außer in der sichtbaren Kirche, in der allein die Stimme des Evangeliums erschallt. Und wir sollen nicht erdichten eine andere unsichtbare und stumme Kirche von Menschen, die doch in diesem Leben leben, sondern die Augen und der Sinn sollen schauen auf die Versammlung der Berufenen, d. i. derer, die das Evangelium Gottes bekennen ... Aber dies sei die Definition: die sichtbare Kirche ist die Versammlung derer, die das Evangelium von Jesus Christus annehmen und die Sakramente recht brauchen, in welcher Versammlung Gott durch den Dienst am Evangelium (ministerium evangelii) wirksam ist und viele zum ewigen Leben wiedergebiert, jedoch viele sind, die nicht wiedergeboren sind, aber die wahre Lehre einträchtig halten" (CR 21, 825ff.).

Auch bei Calvin besitzt der Gedanke der sichtbaren Kirche wesentliche Bedeutung, wenn auch nicht in der starken Einseitigkeit wie beim späten Melanchthon. Calvin hält durchaus an der unsichtbaren Kirche der Erwählten fest. So läßt er etwa im Catechismus Genevensis von 1545 auf die Frage "Was ist die Kirche?" den Schüler antworten:

"Die Gesamtheit und Gemeinschaft (Corpus et societas) der Gläubigen, die Gott zum ewigen Leben prädestiniert hat ... Es gibt freilich auch eine sichtbare Kirche Gottes, welche er uns durch bestimmte Merkmale und Kennzeichen (indiciis notisque) kenntlich gemacht hat. Aber hier wird im eigentlichen Sinn (proprie) von der Versammlung (congregatione) derer gesprochen, welche er durch seine heimliche Erwählung zum Heile angenommen hat. Die aber wird weder allgemein mit den Augen gesehen noch durch Zeichen unterschieden" (Cat. Gen. 3; zit. nach: E. Hirsch, Hilfsbuch zum Studium der Dogmatik, Berlin, 4. Aufl. 1964, S. 210f.).

Dennoch legt Calvin vor allem in der letzten Fassung seiner "Institutio" im Jahre 1559 den Schwerpunkt eindeutig auf die Beschreibung der sichtbaren Kirche mit ihren Kennzeichen, ihren Ämtern, ihren Bekenntnissen, ihrer Gesetzgebung und ihrer Kirchenzucht. Calvins Bemühungen um die Begründung eines sichtbaren Kirchenwesens in Straßburg und Genf finden hier ihre dogmatische Verdichtung. Seine Vorbildung als Jurist dürfte bei der starken Betonung der rechtlichen Seite der Kirche sowie ihrer Verzahnung mit der Gesellschaft nicht unbedeutend gewesen sein.

Alle Reformatoren bezeichnen die sichtbare Kirche als "corpus permixtum" (vermischten Leib) aus wahrhaft Gläubigen und Heuchlern (vgl. z.B. CA 8), aber sie ziehen daraus unterschiedliche Konsequenzen. Während Luther den Akzent auf die Selbstwirksamkeit des Wortes Gottes legt, das die Heiligung bewirkt, spielt bei Melanchthon und vollends bei Calvin der Erziehungsgedanke eine zentrale Rolle. "Der Erziehungsgedanke mit dem Ziel der Heiligung der Christen und der Vollkommenheit ihrer Gemeinschaft ist grundlegend für Calvins Kirchenverständnis" (U. Kühn, a.a.O., S. 60). Aus dem Erziehungsgedanken erklärt sich auch der große Raum, den die Kirchenzucht in Calvins "Insitutio" einnimmt, ohne allerdings zu einer eigenen nota ecclesiae zu werden (das ist erst in späteren reformierten Bekenntnissen der Fall).

Dennoch sind weder Luther noch Melanchthon noch Calvin der Ansicht, daß die Vollkommenheit auf Erden je erreicht werden könne – in Abgrenzung gegen manche Schwärmer, die donatistische und perfektionistische Vorstellungen vertraten. Die Folge der christlichen Erziehung ist ein neuer Lebenswandel im Gehorsam gegen Gottes Wort – trotz aller verbleibenden Mängel und Schwächen.

So vergleicht Melanchthon die Kirche mit einer "Versammlung ähnlich einer Schulklasse (scholastico coetui)" und nennt als dritte nota ecclesiae neben Wort und Sakrament den

"Gehorsam, der dem Dienst am göttlichen Wort ... geschuldet" wird (CR 21, 835; 23, 37f.).

Und Calvin definiert:

"Danach sollen wir die Menschen als Glieder der Kirche erkennen, die durch das Bekenntnis des Glaubens, durch das Beispiel ihres Lebens und durch die Teilnahme an den Sakramenten mit uns den gleichen Gott und Christus bekennen" (Institutio IV,1,8).

C. Das Verständnis von "Gemeinde" nach dem Neuen Testament

1. Die christliche Gemeinde ist die Gemeinde Jesu Christi. Er ist das Fundament seiner Gemeinde.

In Mt 16,18 spricht Jesus Christus zum Apostel Petrus: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen." Diese Stelle wird gern zur Begründung des Papstprimats herangezogen. Dabei sollte allerdings nicht übersehen werden, daß es hier zunächst einmal um den Christusprimat geht: Christus will seine Gemeinde bauen. Die Gemeinde ist die Gemeinde Jesu Christi. Sie gehört ihm und niemandem sonst. Alle Funktionen, die Menschen in dieser Gemeinde wahrnehmen, sind nur ableitbar aus der Vollmacht und Beauftragung durch Jesus Christus.

Dies wird auch deutlich aus dem Wort des Apostels Paulus: "Einen anderen Grund (themelios) kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus" (1. Kor 3,11). Jesus Christus selber ist das Fundament seiner Gemeinde. Die Gemeinde wird mit einem Haus verglichen, das auf dem Fundament Jesus Christus errichtet wird. Ein anderes Fundament ist nicht tragfähig.

In seinem Buch "Bilder der Gemeinde" (Kassel 1964) listet Paul S. Minear 96 biblische Bilder und Bildbegriffe auf, die das Wesen der Gemeinde und ihrer Glieder beschreiben. Sie sind folgenden Bereichen entnommen: Schöpfung, Landwirtschaft, Fischerei, Küche, Bauwesen, Familienleben, Heiratsbrauchtum, Kultus, Gerichtswesen und verschiedene Begebenheiten. Die meisten Bilder betonen dabei die Verbundenheit zwischen Christus bzw. Gott und seiner Gemeinde. Als Beispiele seien genannt: die Gemeinde als Gottes Ackerfeld (1. Kor 3,9), Gottes Bau (1. Kor 3,9), Christi Braut (Offb 21,9; 22.17), Gottes Volk (Tit 2,14; 1. Petr 2,9; Offb 21,3; 24,26); Gottes Tempel (1. Kor 3,17; 6,19; 2. Kor 6,16; Eph 2,21); Gottes Stadt (Offb 3,12; 21,2), neue Schöpfung (Kol 3,9–11; 2. Kor 5,17), Christi Leib (Röm 12,5; 1. Kor 12,27; Eph 1,23; 4,12; Kol 1,24; 2,19), Christi Haus (1. Petr 2,5), Christi Priesterschaft (1. Petr 2,9f.). Im folgenden greife ich drei wichtige Bilder heraus.

a. Die christliche Gemeinde ist das Volk Gottes .

Dieses Bild mit seinen zahlreichen verwandten Bildern (Tempel, Stadt Gottes, Priesterschaft, auserwähltes Geschlecht, zwölf Stämme u.a.) bringt die historische Verbindung mit dem Alten Bund, mit Israel zum Ausdruck. Während beim Sinai-Ereignis (Ex 19) noch das ganze Israel als Gottes Volk betrachtet wurde, ging diese Bezeichnung später auf den Rest über, der Gott treu geblieben war (Jes 1,9; 10,22). Dieser Restgedanke wiederum fand seine Erfüllung in der neutestamentlichen Gemeinde, die als "das auserwählte Geschlecht", "die königliche Priesterschaft" durch die Begnadigung in Christus das neue Volk Gottes darstellt: "Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, daß ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; die ihr einst ,nicht ein Volk‘ wart, nun aber ,Gottes Volk‘ seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid" (1. Petr 2,9f.). Der Unterschied zwischen der christlichen Gemeinde und dem alten Bundesvolk Israel liegt z.B. in folgenden Punkten: Israels Berufung ist irdisch, die Berufung der Gemeinde ist himmlisch (Phil 3,20); Israel betet Gott im Tempel an, die Gemeinde betet zu ihm im Geist (Lev 17,8f.; Joh 4,24); Israel erwartet seine Wiederherstellung im verheißenen Land, die Gemeinde wird beim Herrn sein allezeit (Dtn 30,4f.; 1. Thess 4,17). Zwischen Israel und der Gemeinde besteht jedoch auch eine Kontinuität, weil viele Juden an Jesus als den Messias glauben und die Gemeinde sowohl aus bekehrten Juden als auch aus bekehrten Heiden besteht (Eph 2,11ff.).

b. Die Gemeinde ist die Braut Christi .

Immer wieder wird die Beziehung zwischen Christus und seiner Gemeinde mit einer Verlobung oder Ehe verglichen. Die Ehe ist das Geheimnis, bei dem "die zwei ein Fleisch werden" (Gen 2,24), das Symbol innigster Verbundenheit. So wird Christus als der Bräutigam bezeichnet, der die Seinen zum Hochzeitsmahl lädt (Mt 9,15; Offb 19,17), der die Jungfrauen erwartet, die das Öl für ihre Lampen bereithalten (Mt 25,1), der wiederkommen wird, um die Gemeinde, das himmlische Jerusalem "wie eine geschmückte Braut" zu empfangen (Offb 21,2). Der Apostel Paulus schreibt an die Korinther:

"Ich eifere um euch mit göttlichem Eifer; denn ich habe euch verlobt mit einem einzigen Mann, damit ich Christus eine reine Jungfrau zuführte" (2. Kor 11,2).

Diese reine Jungfrau ist die Gemeinde, die – im Blut des Lammes gewaschen – einst ohne Flecken und Runzeln ihrem Herrn entgegengehen darf (Offb 7,14; Eph 5,27).

c. Die Gemeinde ist der Leib Christi .

Dieses Bild stellt die höchste Steigerung im Blick auf die Einheit zwischen Christus und der Gemeinde dar. Christus ist das Haupt, die Gemeinde die Gesamtheit seiner Glieder. Beides gehört untrennbar zusammen. Christus will nicht ohne die Gemeinde existieren. Die Gemeinde kann nicht ohne Christus existieren. Der Leib Christi ist der gekreuzigte Leib. Als ein solcher hat die Gemeinde an Christi Leiden Anteil (Joh 15,18ff.). Der Leib Christi ist ein reiner Leib. Als ein solcher sollen sich auch die Glieder der Gemeinde reinhalten und etwa die Unzucht fliehen (1. Kor 6,13ff.). Der Leib Christi ist ein herrlicher Leib. Als ein solcher wird auch die Gemeinde an Christi Herrlichkeit Anteil bekommen (1. Kor 15,42ff.).

2. Zur Gemeinde gehört, wer zu Jesus Christus umgekehrt und durch den Heiligen Geist wiedergeboren ist zum neuen Leben in Gott.

Aus dem Neuen Testament geht deutlich hervor, daß zur Gemeinde im eigentlichen Sinn nur solche Menschen gezählt wurden, die zu Jesus Christus gehörten. Der Apostel Paulus etwa hat seine Gemeindebriefe wie folgt adressiert:

"an alle Geliebten Gottes (agapetois theou) und berufenen Heiligen (kletois hagiois) zu Rom" (Röm 1,7);

"der Gemeinde Gottes zu Korinth, den Geheiligten in Christus Jesus, den berufenen Heiligen samt allen denen, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen an jedem Ort" (1. Kor 1,2);

"den Heiligen und Gläubigen (hagiois kai pistois) an Christus Jesus" (Eph 1,1);

"allen Heiligen in Christus Jesus zu Philippi" (Phil 1,1);

"den Heiligen zu Kolossä und den gläubigen Brüdern (pistois adelphois) in Christus" (Kol 1,2);

"der Gemeinde in Thessalonich in Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus" (1. Thess 1,1).

"Heilig" (hebr. kadosch; griech. hagios) im biblischen Sinne bedeutet: "zu Gott gehörig", "für Gott ausgesondert". Heilig wird man durch das Sühneopfer Jesu Christi am Kreuz und die Annahme dieses Opfers im Glauben (pistis). Wer das Sühneopfer Jesu Christi im Glauben annimmt und sich ganz auf die Seite seines Erlösers rufen läßt, vollzieht einen Herrschaftswechsel. Er tritt aus dem Reich Satans, der Sünde und des Todes heraus und wird eingegliedert in das Reich Jesu Christi, der Gerechtigkeit und des ewigen Lebens. Diesen Herrschaftswechsel bezeichnet die Bibel mit "Umkehr" (hebr. schub, griech. metanoia). Heilig sind also alle, die an Jesus Christus glauben und durch sein Opfer am Kreuz erlöst sind – und nicht etwa eine besondere "Elite", die von Menschen "heiliggesprochen" wird.

Als die Volksmenge beim Pfingstereignis die Apostel nach der geisterfüllten Predigt des Petrus fragte:

"Was sollen wir tun?",

da antwortete ihnen Petrus:

"Tut Buße (metanoesate)! Und ein jeglicher lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen ... Lasset euch erretten aus diesem verkehrten Geschlecht!" (Apg 2,38.40).

Durch die Abkehr vom alten Leben, die Umkehr zu Jesus Christus und die Taufe auf seinen Namen werden Menschen der Gemeinde eingegliedert. Wer zu Jesus gehört, hat seinen Geist empfangen. Und dieser Geist hat ihn wiedergeboren zu einem neuen Leben:

"Es sei denn, daß jemand von neuen geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen" (Joh 3,3).

"Als ihr gläubig wurdet, seid ihr versiegelt worden mit dem Heiligen Geist" (Eph 1,13).

"Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder" (Röm 8,14).

Man beachte besonders Eph 1,13: Der Heilige Geist wird in dem Moment verliehen, wenn jemand gläubig wird!

3. Ungläubige haben Zugang zur Gemeinde, gehören aber nicht im eigentlichen Sinn zu ihr.

Schon in neutestamentlicher Zeit stellt die Gemeinde ein corpus permixtum (vermischter Leib) dar. Die reine Gemeinde hat es nie gegeben. Der 1. Johannesbrief spricht von Menschen, die "von uns ausgegangen sind, aber nicht von uns waren". Sie werden als "Widerchristen" bezeichnet (1. Joh 2,18f.; vgl. auch Gal 2,4; Jud 4 u.a.). In 1. Kor 14,24 ist von "Ungläubigen oder Unkundigen" die Rede, die in die Versammlungen hineinkommen konnten und die unbekannten Phänomene (Sprachenrede) in Korinth nicht verstanden.

Die neutestamentliche Gemeinde ist somit nicht streng in sich geschlossen. Das wäre auch gar nicht möglich, denn

"der Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an" (1. Sam 16,7).

Trotzdem sind die Gemeindeglieder zumindest formell daran erkennbar, daß sie sich zu Jesus Christus als ihrem Herrn bekennen und sich auf seinen Namen haben taufen lassen. Taufe und Glaube gehören zusammen. Der Glaube wird im Bekenntnis und in der Nachfolge – in Wort und Tat – verbürgt.

"Wenn man von Herzen glaubt, dann wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, dann wird man gerettet" (Röm 10,10).

4. Die Gemeinde und ihr Gottesdienst werden konstituiert durch Lehre, Gemeinschaft, Brotbrechen und Gebet.

In Apg 2,42 sind die unverzichtbaren Grundelemente des Gemeinde- und gottesdienstlichen Lebens genannt:

"Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel (didache ton apostolon) und in der Gemeinschaft (koinonia) und im Brotbrechen (klasis tou artou) und im Gebet (proseuche)."

a. Die Lehre der Apostel

ist die Botschaft vom Heil durch Jesus Christus, von Jesus als dem Heiland. Ohne sie gibt es keine Gemeinde, die sich christlich nennen kann. Würde diese Lehre fehlen, dann wäre die Gemeinde eine Vereinigung wie jede andere, aber nicht die (aus der Welt) "Herausgerufene", die der Welt etwas zu bringen hat, was diese sich selber nicht geben kann: Rettung von den Sünden und ewiges Leben.

b. Gemeinschaft

ist ein ebenso unverzichtbares Element der christlichen Gemeinde. Denn die Gemeinde ist ein Organismus aus mehreren Gliedern mit Christus als Haupt. In diesem Organismus soll ein Glied dem anderen dienen (1. Kor 12). Ein freiwillig gewähltes "Einzelchristsein" kann zwar auch noch in der Gemeinschaft mit Christus als dem Haupt stehen, aber ohne die anderen Glieder wird es sehr schnell zum Torso und stirbt ab. Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf hat daher den Satz geprägt:

"Ich statuiere kein Christentum ohne Gemeinschaft."

c. Das Brotbrechen

gehört zur Gemeinde als sinnenfälliges Zeichen, als Erinnerung daran und Vergegenwärtigung dessen, was Jesus Christus am Kreuz für uns getan hat: Dort ließ er sich zur Sühne für unsere Schuld "zerbrechen" und töten. Dies ist das Zentrum des Heilsgeschehens und die Grundlage der Gemeinde als Christi Leib. Das Brotbrechen wird auch als "Herrenmahl" oder – in Anknüpfung an das letzte Passah Jesu Christi mit seinen Jüngern am Gründonnerstagabend – als "Abendmahl" bezeichnet. Brot und Wein vergegenwärtigen also für den Glaubenden den Leib und das Blut Jesu Christi und damit das Opfer des Herrn am Kreuz auf Golgatha. Dankbar empfängt der Gläubige diese Elemente im Gedenken daran, daß auf Golgatha seine Sünden in den Tod gegeben wurden. Nirgends in der Bibel jedoch findet sich ein Hinweis, daß auf dem Altar ein erneutes Opfer durchgeführt würde oder Brot und Wein ihr substantielles Wesen verändern, wie es die Römisch-Katholische Kirche lehrt. Das Opfer Jesu am Kreuz war einmalig (vgl. Hebr 9f.).

d. Das Gebet

ist der Lebensfaden der Gemeinde, an dem alles hängt: das Lob und die Verherrlichung Gottes, der Dank, die Bitte und Fürbitte. Ohne Gebet bewegt sich nichts im Reich Gottes und in der christlichen Gemeinde. Das Gebet definiert die Gemeinde als völlig von Gott abhängigen Organismus. Christliches Gebet erfolgt "in Jesu Namen" und richtet sich an Gott den Vater oder auch an Jesus, Gottes Sohn, nirgends in der Bibel jedoch an den Heiligen Geist. Jesus Christus spricht:

"Was ihr (sc. den Vater ) bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, damit der Vater verherrlicht werde im Sohn. Was ihr mich bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun" (Joh 14,13f.).

Der Heilige Geist hingegen vertritt uns – gerade auch beim Gebet –

"mit unaussprechlichem Seufzen" (Röm 8,26).

Lothar Gassmann


Index

Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handbüchern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines Ökumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

Weitere Handbücher (über Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de