Prämillennialismus

Klick auf den Kompass öffnet den Index

Der P. lehrt, dass es ein >Tausendjähriges Reich geben wird und dass Jesus Christus vor (lat. prae) diesem Tausendjährigen Reich wiederkommt. Jesu Wiederkunft wird eine leibliche Wiederkunft hier auf Erden sein. Das Tausendjährige Reich wird ein irdisches Reich sein, in welchem Christus regiert (Christokratie) und Satan gebunden ist. Der Übergang vom Gemeindezeitalter zum Millennium ist durch Diskontinuität (Unterbrechung) gekenn-zeichnet: Zeichen der Endzeit, Gerichte, die große Trübsalszeit, das Auftreten des Antichristen und die Schlacht von Harmagedon gehen ihm voraus. Auch nach dem Millennium tritt noch einmal Diskontinuität ein: Satan wird losgelassen, um die Völker zu verführen. Schließlich aber wird er gerichtet. Dann folgt das Weltgericht vor dem Grossen Weißen Thron. Die Verlorenen gehen in die ewige Verdammnis, die Geretteten in die ewige Seligkeit im himmlischen Jerusalem. In diesen groben Zügen herrscht unter den Anhängern des P. Einigkeit.

Uneinigkeit besteht hingegen im Blick auf folgende Frage: Erfolgt die Entrückung der Gemeinde vor (Prätribulationismus), mitten in (Mediotribulationismus) oder nach der Grossen Trübsal (Posttribulationismus) — oder gibt es eine Teil- oder stufenweise Entrückung der in besonderem Masse auf den Herrn Wartenden (partial rapture)? Mit dieser Frage hängt die weitere untrennbar zusammen: Wird in der Trübsalszeit und im Millennium die Gemeinde noch auf der Erde sein – oder sind diese Epochen (Dispensationen) allein für das national gesammelte und geistlich erwachende Israel be-stimmt?

Der historische P. (seine Anhänger berufen sich auf die vordispensationalistische, "historische" prämillennialistische Schau, etwa bei den Kirchenvätern) deutet "Israel" geistlich und bezieht die darauf gerichteten Prophezeiungen auf die neutestamentliche Gemeinde. Der klassische Dispensationalismus hingegen (er teilt die Geschichte in streng voneinander abgegrenzte Epochen oder "Dispensationen" ein) sieht die Gemeinde (in der Regel) durch die Vorentrückung von der Erde hinweggenommen und ordnet Trübsalszeit und Millennium allein dem nationalen Israel zu. Der progressive Dispensationalismus versucht, hier eine Mittelposition einzunehmen: Er spricht von einem "vereinigten Volk Gottes" aus Israel und der Gemeinde in Trübsalszeit und Millennium, das in sich bestimmte Unterscheidungsmerkmale trägt.

Die Autoren und Kirchenväter des 1. -3. Jahrhunderts tendierten zu einer einfachen prämillennialistischen Sicht auf der Grundlage einer literalen (buchstäblich-wörtlichen) Deutung biblischer Texte (insbesondere von Offb 20,1-10). Unter den im 1. Jahrhundert Geborenen nennt John F. Walvoord, selber ein führender Prämillennialist: Aristion, Johannes Presbyteros, Clemens von Rom, Hermas, Ignatius, Polykarp und Papias, der sich auf die Apostel Andreas, Petrus, Philippus, Thomas, Jakobus, Johannes und Matthäus beruft. Walvoord betont: "Außer Barnabas, dessen Prämillennarismus umstritten ist, kann kein einziger Amillenalist (sic) im ersten Jahrhundert genannt werden ... Ebenso findet sich im zweiten Jahrhundert keine Spur eines Amillenarismus bis 190 n. Chr. In dieser Zeit können Justinus Martyr, Melito, Hegesippius, Tatian, Irenäus, Tertullian, Hippolyt und Apollinarius als Prämillenaristen genannt werden ... Obwohl es im dritten Jahrhundert (sc. mit dem Aufblühen der alexandrinischen Allegorese) zum Streit zwischen Amillenarismus und Prämillenarismus kam, können frühe Kirchenväter angeführt werden, die auch im dritten Jahrhundert an der prämillenalen Deutung festhielten. Unter ihnen sind Cyprian (ca. 200-258), Commodius (230-280), Victorinus (240-303), Methodius (250-311) und Lactantius (240-320)." Walvoord folgert daraus: "Die klare Lehre des Prämillenarismus in der frühen Kirche, ehe sie von der amillenalen Deutung überflügelt wurde, ist ein hinreichender Beweis, dass die Ansicht der Apostel nicht amillenal war, und dass die frühe Kirche, die ihren Lehren folgte, auf die Rückkehr Jesu und ein Königreich auf Erden wartete" (Brennpunkte biblischer Prophetie, 1992, 108f.).

S. auch: Eschatologie; Heilsgeschichte; Chiliasmus; Vorentrückungslehre; Teilentrückung; Nachentrückungslehre; Pre-Wrath-Rapture; Dispensationalismus; Wiederkunft Jesu Christi.

Lit.: J. F. Walvoord, Brennpunkt biblischer Prophetie, 1992; L. Gassmann, Was kommen wird, 2002.

Lothar Gassmann


Index

Etliche Texte sind auch in gedruckter Form erschienen in verschiedenen Handbüchern (je 144-200 Seiten, je 9,80 Euro):

1. Kleines Sekten-Handbuch
2. Kleines Kirchen-Handbuch
3. Kleines Ökumene-Handbuch
4. Kleines Endzeit-Handbuch
5. Kleines Katholizismus-Handbuch
6. Kleines Anthroposophie-Handbuch
7. Kleines Zeugen Jehovas-Handbuch
8. Kleines Ideologien-Handbuch
9. Kleines Esoterik-Handbuch
10. Kleines Theologie-Handbuch

Weitere Handbücher (über Theologie, Esoterik, u.a.) sind geplant. Informationen bei www.l-gassmann.de